Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

heit. Ueberhaupt hätte die Religion der
Christen, deren praktische Lehren im Testa-
ment für diese so klar sind, den Aufwand
von Gelehrsamkeit auch entbehren können.
Sie behielt aber nicht lange ihre edle Ein-
falt; es entstand die Wissenschaft, Theo-
logie genannt, die von gelehrten Zusätzen
wie von frommen Täuschungen, durch al-
le neue Kraft noch nicht hat gereinigt
werden können."

"Diese Religion, welche geoffenbarte
Vernunft und die reinste Moral ist, wür-
de mit sittlicher Aufklärung zugleich hieher
gekommen seyn, wenn sie nicht bereits in
Süden im Grunde verdorben gewesen wä-
re, wie sie von da nach dem treuherzigen
Norden kam." (Hier gehet der Verfasser
die nähern Umstände dieser Ankunft durch.)
"Die Religion also, welche Schützerinn
der Menschheit seyn sollte, trat diese mit

heit. Ueberhaupt haͤtte die Religion der
Chriſten, deren praktiſche Lehren im Teſta-
ment fuͤr dieſe ſo klar ſind, den Aufwand
von Gelehrſamkeit auch entbehren koͤnnen.
Sie behielt aber nicht lange ihre edle Ein-
falt; es entſtand die Wiſſenſchaft, Theo-
logie genannt, die von gelehrten Zuſaͤtzen
wie von frommen Taͤuſchungen, durch al-
le neue Kraft noch nicht hat gereinigt
werden koͤnnen.“

„Dieſe Religion, welche geoffenbarte
Vernunft und die reinſte Moral iſt, wuͤr-
de mit ſittlicher Aufklaͤrung zugleich hieher
gekommen ſeyn, wenn ſie nicht bereits in
Suͤden im Grunde verdorben geweſen waͤ-
re, wie ſie von da nach dem treuherzigen
Norden kam.“ (Hier gehet der Verfaſſer
die naͤhern Umſtaͤnde dieſer Ankunft durch.)
„Die Religion alſo, welche Schuͤtzerinn
der Menſchheit ſeyn ſollte, trat dieſe mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="143"/>
heit. Ueberhaupt ha&#x0364;tte die Religion der<lb/>
Chri&#x017F;ten, deren prakti&#x017F;che Lehren im Te&#x017F;ta-<lb/>
ment fu&#x0364;r die&#x017F;e &#x017F;o klar &#x017F;ind, den Aufwand<lb/>
von Gelehr&#x017F;amkeit auch entbehren ko&#x0364;nnen.<lb/>
Sie behielt aber nicht lange ihre edle Ein-<lb/>
falt; es ent&#x017F;tand die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, Theo-<lb/>
logie genannt, die von gelehrten Zu&#x017F;a&#x0364;tzen<lb/>
wie von frommen Ta&#x0364;u&#x017F;chungen, durch al-<lb/>
le neue Kraft noch nicht hat gereinigt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die&#x017F;e Religion, welche geoffenbarte<lb/>
Vernunft und die rein&#x017F;te Moral i&#x017F;t, wu&#x0364;r-<lb/>
de mit &#x017F;ittlicher Aufkla&#x0364;rung zugleich hieher<lb/>
gekommen &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie nicht bereits in<lb/>
Su&#x0364;den im Grunde verdorben gewe&#x017F;en wa&#x0364;-<lb/>
re, wie &#x017F;ie von da nach dem treuherzigen<lb/>
Norden kam.&#x201C; (Hier gehet der Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
die na&#x0364;hern Um&#x017F;ta&#x0364;nde die&#x017F;er Ankunft durch.)<lb/>
&#x201E;Die Religion al&#x017F;o, welche Schu&#x0364;tzerinn<lb/>
der Men&#x017F;chheit &#x017F;eyn &#x017F;ollte, trat die&#x017F;e mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0158] heit. Ueberhaupt haͤtte die Religion der Chriſten, deren praktiſche Lehren im Teſta- ment fuͤr dieſe ſo klar ſind, den Aufwand von Gelehrſamkeit auch entbehren koͤnnen. Sie behielt aber nicht lange ihre edle Ein- falt; es entſtand die Wiſſenſchaft, Theo- logie genannt, die von gelehrten Zuſaͤtzen wie von frommen Taͤuſchungen, durch al- le neue Kraft noch nicht hat gereinigt werden koͤnnen.“ „Dieſe Religion, welche geoffenbarte Vernunft und die reinſte Moral iſt, wuͤr- de mit ſittlicher Aufklaͤrung zugleich hieher gekommen ſeyn, wenn ſie nicht bereits in Suͤden im Grunde verdorben geweſen waͤ- re, wie ſie von da nach dem treuherzigen Norden kam.“ (Hier gehet der Verfaſſer die naͤhern Umſtaͤnde dieſer Ankunft durch.) „Die Religion alſo, welche Schuͤtzerinn der Menſchheit ſeyn ſollte, trat dieſe mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/158
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/158>, abgerufen am 30.04.2024.