den! Nie habe ich eine griechische Gruppe, man nenne sie Orest und Pylades, oder Orest und Elektra, Biblis und Caunus, Pätus und Arria, Amor und Psyche, oder wie man wolle, bemer- ket, ohne diese liebliche Zusammen- stimmung zu fühlen, die beide zu Einem vereinet. Nie habe ich in den wenigen Gemählden, die von ihnen übrig sind, oder in ihren zahlreichern Bas-Reliefs eine griechische häusliche Gesellschaft gesehen, in welche nicht jener Geist der Ruhe er- gossen war, der unsern Tumultvollen Compositionen so oft fehlet. Raphael hatte von diesem Geist empfangen; Mengs hat ihn, wenn das antike Gemählde, in welchem sich Ganymedes dem Jupiter na- het, sein ist, sowohl in dem Annahen selbst, als auf dem Munde des Vaters der Göt- ter in dem ewig freundlichen Kuß ausge-
den! Nie habe ich eine griechiſche Gruppe, man nenne ſie Oreſt und Pylades, oder Oreſt und Elektra, Biblis und Caunus, Paͤtus und Arria, Amor und Pſyche, oder wie man wolle, bemer- ket, ohne dieſe liebliche Zuſammen- ſtimmung zu fuͤhlen, die beide zu Einem vereinet. Nie habe ich in den wenigen Gemaͤhlden, die von ihnen uͤbrig ſind, oder in ihren zahlreichern Bas-Reliefs eine griechiſche haͤusliche Geſellſchaft geſehen, in welche nicht jener Geiſt der Ruhe er- goſſen war, der unſern Tumultvollen Compoſitionen ſo oft fehlet. Raphael hatte von dieſem Geiſt empfangen; Mengs hat ihn, wenn das antike Gemaͤhlde, in welchem ſich Ganymedes dem Jupiter na- het, ſein iſt, ſowohl in dem Annahen ſelbſt, als auf dem Munde des Vaters der Goͤt- ter in dem ewig freundlichen Kuß ausge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0106"n="91"/>
den! Nie habe ich eine griechiſche Gruppe,<lb/>
man nenne ſie <hirendition="#g">Oreſt</hi> und <hirendition="#g">Pylades</hi>,<lb/>
oder <hirendition="#g">Oreſt</hi> und <hirendition="#g">Elektra</hi>, <hirendition="#g">Biblis</hi> und<lb/><hirendition="#g">Caunus</hi>, <hirendition="#g">Paͤtus</hi> und <hirendition="#g">Arria</hi>, <hirendition="#g">Amor</hi><lb/>
und <hirendition="#g">Pſyche</hi>, oder wie man wolle, bemer-<lb/>
ket, ohne dieſe <hirendition="#g">liebliche Zuſammen</hi>-<lb/><hirendition="#g">ſtimmung</hi> zu fuͤhlen, die beide zu Einem<lb/>
vereinet. Nie habe ich in den wenigen<lb/>
Gemaͤhlden, die von ihnen uͤbrig ſind, oder<lb/>
in ihren zahlreichern Bas-Reliefs eine<lb/>
griechiſche haͤusliche Geſellſchaft geſehen,<lb/>
in welche nicht jener Geiſt der Ruhe er-<lb/>
goſſen war, der unſern Tumultvollen<lb/>
Compoſitionen ſo oft fehlet. <hirendition="#g">Raphael</hi><lb/>
hatte von dieſem Geiſt empfangen; <hirendition="#g">Mengs</hi><lb/>
hat ihn, wenn das antike Gemaͤhlde, in<lb/>
welchem ſich Ganymedes dem Jupiter na-<lb/>
het, ſein iſt, ſowohl in dem Annahen ſelbſt,<lb/>
als auf dem Munde des Vaters der Goͤt-<lb/>
ter in dem ewig freundlichen Kuß ausge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[91/0106]
den! Nie habe ich eine griechiſche Gruppe,
man nenne ſie Oreſt und Pylades,
oder Oreſt und Elektra, Biblis und
Caunus, Paͤtus und Arria, Amor
und Pſyche, oder wie man wolle, bemer-
ket, ohne dieſe liebliche Zuſammen-
ſtimmung zu fuͤhlen, die beide zu Einem
vereinet. Nie habe ich in den wenigen
Gemaͤhlden, die von ihnen uͤbrig ſind, oder
in ihren zahlreichern Bas-Reliefs eine
griechiſche haͤusliche Geſellſchaft geſehen,
in welche nicht jener Geiſt der Ruhe er-
goſſen war, der unſern Tumultvollen
Compoſitionen ſo oft fehlet. Raphael
hatte von dieſem Geiſt empfangen; Mengs
hat ihn, wenn das antike Gemaͤhlde, in
welchem ſich Ganymedes dem Jupiter na-
het, ſein iſt, ſowohl in dem Annahen ſelbſt,
als auf dem Munde des Vaters der Goͤt-
ter in dem ewig freundlichen Kuß ausge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 6. Riga, 1795, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet06_1795/106>, abgerufen am 17.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.