vor sich selbst oder vor Menschen; sein Auge blickt nieder zur Erde. Denn seiner Schwächen, seiner mühsamen, oft eiteln Bestrebungen, seines Kampfes mit sich und mit andern demüthig bewußt, zählet er sich kaum, und kann und darf nicht rech- nen, was seine Ziffer zum großen Nenner der Welt bedeute oder bedeuten werde? Hier darf der Autor, der den Bekennenden als Freund vorführt, zumal wenn er Jahr- hunderte nach ihm lebet, wohl ein Wort über ihn sprechen, und auf der großen Ta- fel der Weltbegebenheiten zeigen, wo er stand? wo er künftig stehen möchte?
Petrarca war eine der zartesten See- len, die in menschlichen Körpern erschienen, Nicht seiner Sprache allein hat er jene Formen süßer Sonnette und Canzonen, und mit diesen zugleich die erlesensten Gedan- ken der Provenzalen, ja jenes Ideal einer
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vor ſich ſelbſt oder vor Menſchen; ſein Auge blickt nieder zur Erde. Denn ſeiner Schwaͤchen, ſeiner muͤhſamen, oft eiteln Beſtrebungen, ſeines Kampfes mit ſich und mit andern demuͤthig bewußt, zaͤhlet er ſich kaum, und kann und darf nicht rech- nen, was ſeine Ziffer zum großen Nenner der Welt bedeute oder bedeuten werde? Hier darf der Autor, der den Bekennenden als Freund vorfuͤhrt, zumal wenn er Jahr- hunderte nach ihm lebet, wohl ein Wort uͤber ihn ſprechen, und auf der großen Ta- fel der Weltbegebenheiten zeigen, wo er ſtand? wo er kuͤnftig ſtehen moͤchte?
Petrarca war eine der zarteſten See- len, die in menſchlichen Koͤrpern erſchienen, Nicht ſeiner Sprache allein hat er jene Formen ſuͤßer Sonnette und Canzonen, und mit dieſen zugleich die erleſenſten Gedan- ken der Provenzalen, ja jenes Ideal einer
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vor ſich ſelbſt oder vor Menſchen; ſein
Auge blickt nieder zur Erde. Denn ſeiner
Schwaͤchen, ſeiner muͤhſamen, oft eiteln
Beſtrebungen, ſeines Kampfes mit ſich und
mit andern demuͤthig bewußt, zaͤhlet er
ſich kaum, und kann und darf nicht rech-
nen, was ſeine Ziffer zum großen Nenner
der Welt bedeute oder bedeuten werde?
Hier darf der Autor, der den Bekennenden
als Freund vorfuͤhrt, zumal wenn er Jahr-
hunderte nach ihm lebet, wohl ein Wort
uͤber ihn ſprechen, und auf der großen Ta-
fel der Weltbegebenheiten zeigen, wo er
ſtand? wo er kuͤnftig ſtehen moͤchte?
Petrarca war eine der zarteſten See-
len, die in menſchlichen Koͤrpern erſchienen,
Nicht ſeiner Sprache allein hat er jene
Formen ſuͤßer Sonnette und Canzonen, und
mit dieſen zugleich die erleſenſten Gedan-
ken der Provenzalen, ja jenes Ideal einer
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/18>, abgerufen am 16.07.2024.
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