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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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für ein verderbliches Lehrbuch, andre für
ein wankendes, schwachköpfiges Mittelding
zwischen beiden halten. Und ein Schwach-
kopf war wahrlich Machiavell nicht; er
war ein Geschicht- und Welterfahrner, da-
bei ein redlicher Mann, ein feiner Beo-
bachter, und ein warmer Freund seines
Vaterlandes. Daß er den Werth und die
Form von mancherlei Staaten gekannt ha-
be, davon zeugen seine Dekaden über
den Livius
, und daß er kein Verräther
der Menschheit werden wollte, beweiset
jede Zeile seiner andern Schriften, so wie
bis zum Alter hinan sein geführtes Leben.
Woher nun das Mißverständniß dieser
Schrift eines Schriftstellers, der so be-
stimmt, rein und schön zu schreiben wußte?
Woher, daß dies Mißverständniß sich zwei
Jahrhunderte erhalten, und den feinsten
Köpfen mitgetheilt hat, so daß ihm selbst

fuͤr ein verderbliches Lehrbuch, andre fuͤr
ein wankendes, ſchwachkoͤpfiges Mittelding
zwiſchen beiden halten. Und ein Schwach-
kopf war wahrlich Machiavell nicht; er
war ein Geſchicht- und Welterfahrner, da-
bei ein redlicher Mann, ein feiner Beo-
bachter, und ein warmer Freund ſeines
Vaterlandes. Daß er den Werth und die
Form von mancherlei Staaten gekannt ha-
be, davon zeugen ſeine Dekaden uͤber
den Livius
, und daß er kein Verraͤther
der Menſchheit werden wollte, beweiſet
jede Zeile ſeiner andern Schriften, ſo wie
bis zum Alter hinan ſein gefuͤhrtes Leben.
Woher nun das Mißverſtaͤndniß dieſer
Schrift eines Schriftſtellers, der ſo be-
ſtimmt, rein und ſchoͤn zu ſchreiben wußte?
Woher, daß dies Mißverſtaͤndniß ſich zwei
Jahrhunderte erhalten, und den feinſten
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[7/0170] fuͤr ein verderbliches Lehrbuch, andre fuͤr ein wankendes, ſchwachkoͤpfiges Mittelding zwiſchen beiden halten. Und ein Schwach- kopf war wahrlich Machiavell nicht; er war ein Geſchicht- und Welterfahrner, da- bei ein redlicher Mann, ein feiner Beo- bachter, und ein warmer Freund ſeines Vaterlandes. Daß er den Werth und die Form von mancherlei Staaten gekannt ha- be, davon zeugen ſeine Dekaden uͤber den Livius, und daß er kein Verraͤther der Menſchheit werden wollte, beweiſet jede Zeile ſeiner andern Schriften, ſo wie bis zum Alter hinan ſein gefuͤhrtes Leben. Woher nun das Mißverſtaͤndniß dieſer Schrift eines Schriftſtellers, der ſo be- ſtimmt, rein und ſchoͤn zu ſchreiben wußte? Woher, daß dies Mißverſtaͤndniß ſich zwei Jahrhunderte erhalten, und den feinſten Koͤpfen mitgetheilt hat, ſo daß ihm ſelbſt

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/170>, abgerufen am 23.11.2024.