gen Gesinnungen begeistern, so lange die alte Zucht und Lehre dem Volke gerecht ist. Wird sie von diesem selbst verspottet, hat sie sich überlebet, oder wird gemißbraucht; "was hilft dir, (ruft Horaz seinem Va- terlande zu,) stolzer Pontischer Mast, was hilft dir deine vornehme Abkunft? was helfen dir die gemahlten Götter an dei- nen Wänden?" Ein müssig-besessener, von unsern Vorfahren träge-ererbter Ruhm macht uns bald eitel und unsrer Vorfahren unwerth. Wer sich einbildet, von Hause aus tapfer, edel, bieder zu seyn, kann leicht vergessen, sich als einen sol- chen zu zeigen. Er versäumt nach einem Kranze zu ringen, den er von seinen Ur- ahnen an schon zu besitzen glaubet. In solchem Wahn von Vaterlands-Reli- gions-Geschlechts-Ahnenstolze ging Ju-
gen Geſinnungen begeiſtern, ſo lange die alte Zucht und Lehre dem Volke gerecht iſt. Wird ſie von dieſem ſelbſt verſpottet, hat ſie ſich uͤberlebet, oder wird gemißbraucht; „was hilft dir, (ruft Horaz ſeinem Va- terlande zu,) ſtolzer Pontiſcher Maſt, was hilft dir deine vornehme Abkunft? was helfen dir die gemahlten Goͤtter an dei- nen Waͤnden?„ Ein muͤſſig-beſeſſener, von unſern Vorfahren traͤge-ererbter Ruhm macht uns bald eitel und unſrer Vorfahren unwerth. Wer ſich einbildet, von Hauſe aus tapfer, edel, bieder zu ſeyn, kann leicht vergeſſen, ſich als einen ſol- chen zu zeigen. Er verſaͤumt nach einem Kranze zu ringen, den er von ſeinen Ur- ahnen an ſchon zu beſitzen glaubet. In ſolchem Wahn von Vaterlands-Reli- gions-Geſchlechts-Ahnenſtolze ging Ju-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0150"n="135"/>
gen Geſinnungen begeiſtern, ſo lange die<lb/>
alte Zucht und Lehre dem Volke gerecht iſt.<lb/>
Wird ſie von dieſem ſelbſt verſpottet, hat<lb/>ſie ſich uͤberlebet, oder wird gemißbraucht;<lb/>„was hilft dir, (ruft Horaz <hirendition="#g">ſeinem</hi> Va-<lb/>
terlande zu,) ſtolzer Pontiſcher Maſt, was<lb/>
hilft dir deine vornehme Abkunft? was<lb/>
helfen dir die gemahlten Goͤtter an dei-<lb/>
nen Waͤnden?„ Ein muͤſſig-beſeſſener,<lb/>
von unſern Vorfahren traͤge-ererbter<lb/>
Ruhm macht uns bald eitel und unſrer<lb/>
Vorfahren unwerth. Wer ſich einbildet,<lb/>
von Hauſe aus tapfer, edel, bieder zu ſeyn,<lb/>
kann leicht vergeſſen, ſich als einen ſol-<lb/>
chen zu zeigen. Er verſaͤumt nach einem<lb/>
Kranze zu ringen, den er von ſeinen Ur-<lb/>
ahnen an ſchon zu beſitzen glaubet. In<lb/>ſolchem Wahn von Vaterlands-Reli-<lb/>
gions-Geſchlechts-Ahnenſtolze ging Ju-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[135/0150]
gen Geſinnungen begeiſtern, ſo lange die
alte Zucht und Lehre dem Volke gerecht iſt.
Wird ſie von dieſem ſelbſt verſpottet, hat
ſie ſich uͤberlebet, oder wird gemißbraucht;
„was hilft dir, (ruft Horaz ſeinem Va-
terlande zu,) ſtolzer Pontiſcher Maſt, was
hilft dir deine vornehme Abkunft? was
helfen dir die gemahlten Goͤtter an dei-
nen Waͤnden?„ Ein muͤſſig-beſeſſener,
von unſern Vorfahren traͤge-ererbter
Ruhm macht uns bald eitel und unſrer
Vorfahren unwerth. Wer ſich einbildet,
von Hauſe aus tapfer, edel, bieder zu ſeyn,
kann leicht vergeſſen, ſich als einen ſol-
chen zu zeigen. Er verſaͤumt nach einem
Kranze zu ringen, den er von ſeinen Ur-
ahnen an ſchon zu beſitzen glaubet. In
ſolchem Wahn von Vaterlands-Reli-
gions-Geſchlechts-Ahnenſtolze ging Ju-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/150>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.