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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794.

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dies hängt an einander am Mährchen von
der ausländischen Klugheit und Deutschen
Einfalt."

"Dies Mährchen scheuet man sich ins
Licht zu setzen wegen der angeerbten skla-
vischen Niedertracht, wegen Mangel der
Wahrheitliebe, Seltenheit des gesunden Ur-
theils, endlich aus Mangel der Geschicht-
kenntniß. Man begnügt sich mit Wider-
sprechen, Wehklagen, Seufzen und Bet-
teln: "die Ausländer möchten uns doch
mit in ihre Gesellschaft nehmen, wir ge-
hörten auch unter die fünf klugen Jung-
fern, u. f." Dies beweiset man, statt Erfin-
der anzuführen, mit Schulmeistern, Pfar-
rern, Sprachkünstlern und geduldig schwiz-
zendem Volk, welche Fleiß für Verstand
halten; mit Stopplern und Ausziehern,
woraus eben die Ausländer unsre Dumm-
heit beweisen wollen. Wir haben nicht

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dies haͤngt an einander am Maͤhrchen von
der auslaͤndiſchen Klugheit und Deutſchen
Einfalt.“

„Dies Maͤhrchen ſcheuet man ſich ins
Licht zu ſetzen wegen der angeerbten ſkla-
viſchen Niedertracht, wegen Mangel der
Wahrheitliebe, Seltenheit des geſunden Ur-
theils, endlich aus Mangel der Geſchicht-
kenntniß. Man begnuͤgt ſich mit Wider-
ſprechen, Wehklagen, Seufzen und Bet-
teln: „die Auslaͤnder moͤchten uns doch
mit in ihre Geſellſchaft nehmen, wir ge-
hoͤrten auch unter die fuͤnf klugen Jung-
fern, u. f.“ Dies beweiſet man, ſtatt Erfin-
der anzufuͤhren, mit Schulmeiſtern, Pfar-
rern, Sprachkuͤnſtlern und geduldig ſchwiz-
zendem Volk, welche Fleiß fuͤr Verſtand
halten; mit Stopplern und Ausziehern,
woraus eben die Auslaͤnder unſre Dumm-
heit beweiſen wollen. Wir haben nicht

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[9/0014] dies haͤngt an einander am Maͤhrchen von der auslaͤndiſchen Klugheit und Deutſchen Einfalt.“ „Dies Maͤhrchen ſcheuet man ſich ins Licht zu ſetzen wegen der angeerbten ſkla- viſchen Niedertracht, wegen Mangel der Wahrheitliebe, Seltenheit des geſunden Ur- theils, endlich aus Mangel der Geſchicht- kenntniß. Man begnuͤgt ſich mit Wider- ſprechen, Wehklagen, Seufzen und Bet- teln: „die Auslaͤnder moͤchten uns doch mit in ihre Geſellſchaft nehmen, wir ge- hoͤrten auch unter die fuͤnf klugen Jung- fern, u. f.“ Dies beweiſet man, ſtatt Erfin- der anzufuͤhren, mit Schulmeiſtern, Pfar- rern, Sprachkuͤnſtlern und geduldig ſchwiz- zendem Volk, welche Fleiß fuͤr Verſtand halten; mit Stopplern und Ausziehern, woraus eben die Auslaͤnder unſre Dumm- heit beweiſen wollen. Wir haben nicht A 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 4. Riga, 1794, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet04_1794/14>, abgerufen am 28.04.2024.