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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

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Viele Oden des Horaz, noch mehr aber
seine Sermonen und sogenannte Satyren sind
feine Bearbeitungen der Mensch-
heit; sie haben alle, wenigstens mittelbar,
zum Zweck, einen Umriß in das rohe Ge-
bilde des Lebens zu bringen, die Ideen und
Sitten jener Person, dieser Stände nach
dem Richtmaas des Wahren und Guten,
des Anständigen und Schönen zu ordnen.
Persius, Juvenal, Lucan und andre wir-
ken dahin, jeder nach seiner Weise; vor
allen aber bezeichnet Virgil, wo er kann,
seine Gesänge mit einem zarten Druck der
Menschenliebe. Unmöglich ists, daß ein
Mann oder Jüngling, dem das Innere
dieser Heiligthümer aufgeschlossen wird,
sein Inneres nicht durchdrungen und zu
einer Form gebildet fühlte, die ihm vielleicht
wenige neuere Schriften gewähren. Es ist,
als ob jenen großen Autoren die Menschheit

Viele Oden des Horaz, noch mehr aber
ſeine Sermonen und ſogenannte Satyren ſind
feine Bearbeitungen der Menſch-
heit; ſie haben alle, wenigſtens mittelbar,
zum Zweck, einen Umriß in das rohe Ge-
bilde des Lebens zu bringen, die Ideen und
Sitten jener Perſon, dieſer Staͤnde nach
dem Richtmaas des Wahren und Guten,
des Anſtaͤndigen und Schoͤnen zu ordnen.
Perſius, Juvenal, Lucan und andre wir-
ken dahin, jeder nach ſeiner Weiſe; vor
allen aber bezeichnet Virgil, wo er kann,
ſeine Geſaͤnge mit einem zarten Druck der
Menſchenliebe. Unmoͤglich iſts, daß ein
Mann oder Juͤngling, dem das Innere
dieſer Heiligthuͤmer aufgeſchloſſen wird,
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wenige neuere Schriften gewaͤhren. Es iſt,
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[40/0049] Viele Oden des Horaz, noch mehr aber ſeine Sermonen und ſogenannte Satyren ſind feine Bearbeitungen der Menſch- heit; ſie haben alle, wenigſtens mittelbar, zum Zweck, einen Umriß in das rohe Ge- bilde des Lebens zu bringen, die Ideen und Sitten jener Perſon, dieſer Staͤnde nach dem Richtmaas des Wahren und Guten, des Anſtaͤndigen und Schoͤnen zu ordnen. Perſius, Juvenal, Lucan und andre wir- ken dahin, jeder nach ſeiner Weiſe; vor allen aber bezeichnet Virgil, wo er kann, ſeine Geſaͤnge mit einem zarten Druck der Menſchenliebe. Unmoͤglich iſts, daß ein Mann oder Juͤngling, dem das Innere dieſer Heiligthuͤmer aufgeſchloſſen wird, ſein Inneres nicht durchdrungen und zu einer Form gebildet fuͤhlte, die ihm vielleicht wenige neuere Schriften gewaͤhren. Es iſt, als ob jenen großen Autoren die Menſchheit

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/49>, abgerufen am 24.11.2024.