Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.näher Laute des Trostes und der Weisheit Auch in unsern lyrischen Dichtern sind naͤher Laute des Troſtes und der Weisheit Auch in unſern lyriſchen Dichtern ſind <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="107"/> naͤher Laute des Troſtes und der Weisheit<lb/> zuliſpelt? Kein Zweifel. In den Dichtern<lb/> der Italiener, Spanier, Gallier ſchlummern<lb/> Toͤne, die, wenn ſie durch Muſik und Anwen-<lb/> dung zur Weisheit des Lebens wuͤrden, Voͤl-<lb/> ker und Staͤnde menſchlich machen muͤßten.</p><lb/> <p>Auch in unſern lyriſchen Dichtern ſind<lb/> Strophen, die der Sokratiſchen Schule<lb/> wuͤrdig ſind; warum leben ſie ſo wenig<lb/> im Ohr der Nation? warum ſchlafen ſie<lb/> mit ihren Erfindern vergeſſen im Staube?<lb/> Die Urſache iſt leicht zu finden: „weil nur<lb/> ein ſo kleiner Theil unſrer Nation cultivirt<lb/> iſt, und bei einem andern die ſcheinbare<lb/> Cultur zu einem falſchen Schmuck frem-<lb/> der Ueppigkeit geworden iſt.“ Wir wollen<lb/> es uns nicht bergen; man ſpricht viel von<lb/> Cultur und Aufklaͤrung; man affectirt und<lb/> fuͤrchtet ſie ſo gar, vielleicht weil man an<lb/> ſich ſelbſt weiß, daß ſie nicht tief gehet,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0116]
naͤher Laute des Troſtes und der Weisheit
zuliſpelt? Kein Zweifel. In den Dichtern
der Italiener, Spanier, Gallier ſchlummern
Toͤne, die, wenn ſie durch Muſik und Anwen-
dung zur Weisheit des Lebens wuͤrden, Voͤl-
ker und Staͤnde menſchlich machen muͤßten.
Auch in unſern lyriſchen Dichtern ſind
Strophen, die der Sokratiſchen Schule
wuͤrdig ſind; warum leben ſie ſo wenig
im Ohr der Nation? warum ſchlafen ſie
mit ihren Erfindern vergeſſen im Staube?
Die Urſache iſt leicht zu finden: „weil nur
ein ſo kleiner Theil unſrer Nation cultivirt
iſt, und bei einem andern die ſcheinbare
Cultur zu einem falſchen Schmuck frem-
der Ueppigkeit geworden iſt.“ Wir wollen
es uns nicht bergen; man ſpricht viel von
Cultur und Aufklaͤrung; man affectirt und
fuͤrchtet ſie ſo gar, vielleicht weil man an
ſich ſelbſt weiß, daß ſie nicht tief gehet,
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