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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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telbarsten Gegenwart der Dinge auf ihre
Folgen zu schließen; oder vielmehr nicht
zu schließen, weil in der wachenden Er-
scheinung Gegenwart und Zukunft nur Eins
war. Es war die Blume in voller Gestalt;
es war der Baum mit allen seinen Früch-
ten. Ach, sprach ich zu mir selbst, Ephe-
meren, die wir glauben, mit uns gehe
Himmel und Erde unter! Blinde, die so
selten gewahr werden, woran sie selbst ar-
beiten, und was sich vor ihnen entwickelt.
Die Gegenwart ist schwanger von der Zu-
kunft; das Schicksal der Nachwelt ist in
unsrer Hand, wir haben den Faden ge-
erbt, wir weben ihn, und spinnen ihn wei-
ter.

Wollen Sie, m. Freunde, etwas aus
diesem meinem wachenden Traume wissen?
Hier sind einige Züge, von denen ich Ih-
nen künftig genaue Rechenschaft zu geben

telbarſten Gegenwart der Dinge auf ihre
Folgen zu ſchließen; oder vielmehr nicht
zu ſchließen, weil in der wachenden Er-
ſcheinung Gegenwart und Zukunft nur Eins
war. Es war die Blume in voller Geſtalt;
es war der Baum mit allen ſeinen Fruͤch-
ten. Ach, ſprach ich zu mir ſelbſt, Ephe-
meren, die wir glauben, mit uns gehe
Himmel und Erde unter! Blinde, die ſo
ſelten gewahr werden, woran ſie ſelbſt ar-
beiten, und was ſich vor ihnen entwickelt.
Die Gegenwart iſt ſchwanger von der Zu-
kunft; das Schickſal der Nachwelt iſt in
unſrer Hand, wir haben den Faden ge-
erbt, wir weben ihn, und ſpinnen ihn wei-
ter.

Wollen Sie, m. Freunde, etwas aus
dieſem meinem wachenden Traume wiſſen?
Hier ſind einige Zuͤge, von denen ich Ih-
nen kuͤnftig genaue Rechenſchaft zu geben

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[93/0098] telbarſten Gegenwart der Dinge auf ihre Folgen zu ſchließen; oder vielmehr nicht zu ſchließen, weil in der wachenden Er- ſcheinung Gegenwart und Zukunft nur Eins war. Es war die Blume in voller Geſtalt; es war der Baum mit allen ſeinen Fruͤch- ten. Ach, ſprach ich zu mir ſelbſt, Ephe- meren, die wir glauben, mit uns gehe Himmel und Erde unter! Blinde, die ſo ſelten gewahr werden, woran ſie ſelbſt ar- beiten, und was ſich vor ihnen entwickelt. Die Gegenwart iſt ſchwanger von der Zu- kunft; das Schickſal der Nachwelt iſt in unſrer Hand, wir haben den Faden ge- erbt, wir weben ihn, und ſpinnen ihn wei- ter. Wollen Sie, m. Freunde, etwas aus dieſem meinem wachenden Traume wiſſen? Hier ſind einige Zuͤge, von denen ich Ih- nen kuͤnftig genaue Rechenſchaft zu geben

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/98>, abgerufen am 25.11.2024.