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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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"Ich wünsche Euch zum neuen Minister
des Allerchristlichsten Königes Glück. Man
sagt, es sey ein Mann von Geist; wenn er
es ist, wird er weder die Imbecillität, noch
die Schwachheit haben, Avignon dem Pabst
zurückzugeben. Man kann ein guter Ka-
tholik seyn, und doch dem Statthalter Got-
tes seine zeitlichen Besitzthümer nehmen,
die ihn zu sehr von seinen geistlichen Pflich-
ten zerstreuen, und ihn oft in Gefahr seiner
Seligkeit setzen. Wie fruchtbar auch unser
Jahrhundert an Philosophen seyn möge,
die unerschrocken, wirksam und eifrig Wahr-
heiten verbreiten; so muß man sich doch
nicht verwundern, daß der Aberglaube auch
sein Werk forttreibet. Seine Wurzeln haben
alles umschlungen; er ist ein Kind der
Furcht, der Schwachheit und der Unwissen-
heit; diese Dreieinigkeit herrscht in gemeinen

Zweite Samml. E

„Ich wuͤnſche Euch zum neuen Miniſter
des Allerchriſtlichſten Koͤniges Gluͤck. Man
ſagt, es ſey ein Mann von Geiſt; wenn er
es iſt, wird er weder die Imbecillitaͤt, noch
die Schwachheit haben, Avignon dem Pabſt
zuruͤckzugeben. Man kann ein guter Ka-
tholik ſeyn, und doch dem Statthalter Got-
tes ſeine zeitlichen Beſitzthuͤmer nehmen,
die ihn zu ſehr von ſeinen geiſtlichen Pflich-
ten zerſtreuen, und ihn oft in Gefahr ſeiner
Seligkeit ſetzen. Wie fruchtbar auch unſer
Jahrhundert an Philoſophen ſeyn moͤge,
die unerſchrocken, wirkſam und eifrig Wahr-
heiten verbreiten; ſo muß man ſich doch
nicht verwundern, daß der Aberglaube auch
ſein Werk forttreibet. Seine Wurzeln haben
alles umſchlungen; er iſt ein Kind der
Furcht, der Schwachheit und der Unwiſſen-
heit; dieſe Dreieinigkeit herrſcht in gemeinen

Zweite Samml. E
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[65/0070] „Ich wuͤnſche Euch zum neuen Miniſter des Allerchriſtlichſten Koͤniges Gluͤck. Man ſagt, es ſey ein Mann von Geiſt; wenn er es iſt, wird er weder die Imbecillitaͤt, noch die Schwachheit haben, Avignon dem Pabſt zuruͤckzugeben. Man kann ein guter Ka- tholik ſeyn, und doch dem Statthalter Got- tes ſeine zeitlichen Beſitzthuͤmer nehmen, die ihn zu ſehr von ſeinen geiſtlichen Pflich- ten zerſtreuen, und ihn oft in Gefahr ſeiner Seligkeit ſetzen. Wie fruchtbar auch unſer Jahrhundert an Philoſophen ſeyn moͤge, die unerſchrocken, wirkſam und eifrig Wahr- heiten verbreiten; ſo muß man ſich doch nicht verwundern, daß der Aberglaube auch ſein Werk forttreibet. Seine Wurzeln haben alles umſchlungen; er iſt ein Kind der Furcht, der Schwachheit und der Unwiſſen- heit; dieſe Dreieinigkeit herrſcht in gemeinen Zweite Samml. E

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/70>, abgerufen am 28.11.2024.