zehnten Jahrhunderte hat die Zeit über vie- les entweder schon entschieden und entschei- det noch, oder sie sammlet Kräfte und Athem, um künftig entscheiden zu können. Wahr- scheinlich ist das die dritte Begebenheit, von der Sie reden.
Merken Sie sich aber, m. Fr., Eins. Bei der Reformation war größtentheils von blos geistigen Gütern, von Freiheit des Gewissens und Denkens, von Glaubensar- tikeln und Religion die Rede: denn an den Gebrauch der Kirchengüter wollen wir nicht, können auch nicht allemal mit billigendem Vergnügen denken. Die fortgehende Cul- tur des Menschengeschlechts, die aus der Erweckung der Wissenschaften entsprang, ist auch ein geistiges Gut; man kann ihren Fortgang hemmen, aber nicht vernichten.
Eine andre Beschaffenheit scheinet es mir mit der Reformation zu haben, von der
zehnten Jahrhunderte hat die Zeit uͤber vie- les entweder ſchon entſchieden und entſchei- det noch, oder ſie ſammlet Kraͤfte und Athem, um kuͤnftig entſcheiden zu koͤnnen. Wahr- ſcheinlich iſt das die dritte Begebenheit, von der Sie reden.
Merken Sie ſich aber, m. Fr., Eins. Bei der Reformation war groͤßtentheils von blos geiſtigen Guͤtern, von Freiheit des Gewiſſens und Denkens, von Glaubensar- tikeln und Religion die Rede: denn an den Gebrauch der Kirchenguͤter wollen wir nicht, koͤnnen auch nicht allemal mit billigendem Vergnuͤgen denken. Die fortgehende Cul- tur des Menſchengeſchlechts, die aus der Erweckung der Wiſſenſchaften entſprang, iſt auch ein geiſtiges Gut; man kann ihren Fortgang hemmen, aber nicht vernichten.
Eine andre Beſchaffenheit ſcheinet es mir mit der Reformation zu haben, von der
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zehnten Jahrhunderte hat die Zeit uͤber vie-
les entweder ſchon entſchieden und entſchei-
det noch, oder ſie ſammlet Kraͤfte und Athem,
um kuͤnftig entſcheiden zu koͤnnen. Wahr-
ſcheinlich iſt das die dritte Begebenheit, von
der Sie reden.
Merken Sie ſich aber, m. Fr., Eins.
Bei der Reformation war groͤßtentheils von
blos geiſtigen Guͤtern, von Freiheit des
Gewiſſens und Denkens, von Glaubensar-
tikeln und Religion die Rede: denn an den
Gebrauch der Kirchenguͤter wollen wir nicht,
koͤnnen auch nicht allemal mit billigendem
Vergnuͤgen denken. Die fortgehende Cul-
tur des Menſchengeſchlechts, die aus der
Erweckung der Wiſſenſchaften entſprang, iſt
auch ein geiſtiges Gut; man kann ihren
Fortgang hemmen, aber nicht vernichten.
Eine andre Beſchaffenheit ſcheinet es mir
mit der Reformation zu haben, von der
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/25>, abgerufen am 16.02.2025.
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