Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich. Sehr wahrscheinlich.

Er. Das ist: wenn jetzt ein Deutscher
einem Franzosen, ein Franzose einem
Engländer begegnet, so begegnet nicht
mehr ein bloßer Mensch einem bloßen
Menschen, sondern ein solcher Mensch
begegnet einem solchen Menschen, die
ihrer verschiedenen Tendenz sich bewußt
sind, welches sie gegen einander kalt,
zurückhaltend, mißtrauisch macht, noch
ehe sie für ihre einzelne Person das ge-
ringste mit einander zu schaffen und zu
theilen haben.

Ich. Das ist leider wahr.

Er. Nun so ist es denn auch wahr, daß
das Mittel welches die Menschen ver-
einiget, um sie durch diese Vereinigung
ihres Glücks zu versichern, die Menschen
zugleich trennet. Tritt einen Schritt

Ich. Sehr wahrſcheinlich.

Er. Das iſt: wenn jetzt ein Deutſcher
einem Franzoſen, ein Franzoſe einem
Englaͤnder begegnet, ſo begegnet nicht
mehr ein bloßer Menſch einem bloßen
Menſchen, ſondern ein ſolcher Menſch
begegnet einem ſolchen Menſchen, die
ihrer verſchiedenen Tendenz ſich bewußt
ſind, welches ſie gegen einander kalt,
zuruͤckhaltend, mißtrauiſch macht, noch
ehe ſie fuͤr ihre einzelne Perſon das ge-
ringſte mit einander zu ſchaffen und zu
theilen haben.

Ich. Das iſt leider wahr.

Er. Nun ſo iſt es denn auch wahr, daß
das Mittel welches die Menſchen ver-
einiget, um ſie durch dieſe Vereinigung
ihres Gluͤcks zu verſichern, die Menſchen
zugleich trennet. Tritt einen Schritt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0139" n="134"/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Sehr wahr&#x017F;cheinlich.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Das i&#x017F;t: wenn jetzt ein Deut&#x017F;cher<lb/>
einem Franzo&#x017F;en, ein Franzo&#x017F;e einem<lb/>
Engla&#x0364;nder begegnet, &#x017F;o begegnet nicht<lb/>
mehr ein <hi rendition="#g">bloßer</hi> Men&#x017F;ch einem <hi rendition="#g">bloßen</hi><lb/>
Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern ein <hi rendition="#g">&#x017F;olcher</hi> Men&#x017F;ch<lb/>
begegnet einem <hi rendition="#g">&#x017F;olchen</hi> Men&#x017F;chen, die<lb/>
ihrer ver&#x017F;chiedenen Tendenz &#x017F;ich bewußt<lb/>
&#x017F;ind, welches &#x017F;ie gegen einander kalt,<lb/>
zuru&#x0364;ckhaltend, mißtraui&#x017F;ch macht, noch<lb/>
ehe &#x017F;ie fu&#x0364;r ihre einzelne Per&#x017F;on das ge-<lb/>
ring&#x017F;te mit einander zu &#x017F;chaffen und zu<lb/>
theilen haben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Das i&#x017F;t leider wahr.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Nun &#x017F;o i&#x017F;t es denn auch wahr, daß<lb/>
das Mittel welches die Men&#x017F;chen ver-<lb/>
einiget, um &#x017F;ie durch die&#x017F;e Vereinigung<lb/>
ihres Glu&#x0364;cks zu ver&#x017F;ichern, die Men&#x017F;chen<lb/>
zugleich <hi rendition="#g">trennet</hi>. Tritt einen Schritt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0139] Ich. Sehr wahrſcheinlich. Er. Das iſt: wenn jetzt ein Deutſcher einem Franzoſen, ein Franzoſe einem Englaͤnder begegnet, ſo begegnet nicht mehr ein bloßer Menſch einem bloßen Menſchen, ſondern ein ſolcher Menſch begegnet einem ſolchen Menſchen, die ihrer verſchiedenen Tendenz ſich bewußt ſind, welches ſie gegen einander kalt, zuruͤckhaltend, mißtrauiſch macht, noch ehe ſie fuͤr ihre einzelne Perſon das ge- ringſte mit einander zu ſchaffen und zu theilen haben. Ich. Das iſt leider wahr. Er. Nun ſo iſt es denn auch wahr, daß das Mittel welches die Menſchen ver- einiget, um ſie durch dieſe Vereinigung ihres Gluͤcks zu verſichern, die Menſchen zugleich trennet. Tritt einen Schritt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/139
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/139>, abgerufen am 21.11.2024.