Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich. Gut also! Das bürgerliche Leben des
Menschen, alle Staatsverfaßungen sind
nichts als Mittel zur menschlichen Glück-
seligkeit. Was weiter?

Er. Nichts als Mittel, und Mittel mensch-
licher Erfindung; ob ich gleich nicht
läugnen will, daß die Natur alles so ein-
gerichtet, daß der Mensch sehr bald auf
diese Erfindung gerathen müßen. Nun
sage mir, wenn die Staatsverfassungen
Mittel, Mittel menschlicher Erfindungen
sind: sollten sie allein von dem Schicksale
menschlicher Mittel ausgenommen seyn?

Ich. Was nennest du Schicksale menschlicher
Mittel?

Er. Das, was unzertrennlich mit mensch-
lichen Mitteln verbunden ist, daß sie nicht
unfehlbar sind. Daß sie ihrer Absicht
nicht allein nicht entsprechen, sondern

Ich. Gut alſo! Das buͤrgerliche Leben des
Menſchen, alle Staatsverfaßungen ſind
nichts als Mittel zur menſchlichen Gluͤck-
ſeligkeit. Was weiter?

Er. Nichts als Mittel, und Mittel menſch-
licher Erfindung; ob ich gleich nicht
laͤugnen will, daß die Natur alles ſo ein-
gerichtet, daß der Menſch ſehr bald auf
dieſe Erfindung gerathen muͤßen. Nun
ſage mir, wenn die Staatsverfaſſungen
Mittel, Mittel menſchlicher Erfindungen
ſind: ſollten ſie allein von dem Schickſale
menſchlicher Mittel ausgenommen ſeyn?

Ich. Was nenneſt du Schickſale menſchlicher
Mittel?

Er. Das, was unzertrennlich mit menſch-
lichen Mitteln verbunden iſt, daß ſie nicht
unfehlbar ſind. Daß ſie ihrer Abſicht
nicht allein nicht entſprechen, ſondern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0135" n="130"/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Gut al&#x017F;o! Das bu&#x0364;rgerliche Leben des<lb/>
Men&#x017F;chen, alle Staatsverfaßungen &#x017F;ind<lb/>
nichts als Mittel zur men&#x017F;chlichen Glu&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;eligkeit. Was weiter?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Nichts als Mittel, und Mittel men&#x017F;ch-<lb/>
licher Erfindung; ob ich gleich nicht<lb/>
la&#x0364;ugnen will, daß die Natur alles &#x017F;o ein-<lb/>
gerichtet, daß der Men&#x017F;ch &#x017F;ehr bald auf<lb/>
die&#x017F;e Erfindung gerathen mu&#x0364;ßen. Nun<lb/>
&#x017F;age mir, wenn die Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ungen<lb/>
Mittel, Mittel men&#x017F;chlicher Erfindungen<lb/>
&#x017F;ind: &#x017F;ollten &#x017F;ie allein von dem Schick&#x017F;ale<lb/>
men&#x017F;chlicher Mittel ausgenommen &#x017F;eyn?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Ich</hi>. Was nenne&#x017F;t du Schick&#x017F;ale men&#x017F;chlicher<lb/>
Mittel?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Er</hi>. Das, was unzertrennlich mit men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Mitteln verbunden i&#x017F;t, daß &#x017F;ie nicht<lb/>
unfehlbar &#x017F;ind. Daß &#x017F;ie ihrer Ab&#x017F;icht<lb/>
nicht allein nicht ent&#x017F;prechen, &#x017F;ondern<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0135] Ich. Gut alſo! Das buͤrgerliche Leben des Menſchen, alle Staatsverfaßungen ſind nichts als Mittel zur menſchlichen Gluͤck- ſeligkeit. Was weiter? Er. Nichts als Mittel, und Mittel menſch- licher Erfindung; ob ich gleich nicht laͤugnen will, daß die Natur alles ſo ein- gerichtet, daß der Menſch ſehr bald auf dieſe Erfindung gerathen muͤßen. Nun ſage mir, wenn die Staatsverfaſſungen Mittel, Mittel menſchlicher Erfindungen ſind: ſollten ſie allein von dem Schickſale menſchlicher Mittel ausgenommen ſeyn? Ich. Was nenneſt du Schickſale menſchlicher Mittel? Er. Das, was unzertrennlich mit menſch- lichen Mitteln verbunden iſt, daß ſie nicht unfehlbar ſind. Daß ſie ihrer Abſicht nicht allein nicht entſprechen, ſondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/135
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/135>, abgerufen am 15.05.2024.