Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

vor. Weder die Asymptote, noch die El-
lipse und Cykloide mögen den Lauf der
Natur uns vormahlen. Jetzt fallen die
Menschen begierig über einen Gegenstand
her; jetzt verlassen sie ihn mitten im Werk;
entweder seiner müde, oder weil ein an-
drer neuerer Gegenstand sie zu sich hin-
reißt. Wenn dieser ihnen alt geworden
ist, werden sie zu jenem zurückkehren; oder
dieser wird sie gar auf jenen zurückleiten.
Denn für den Menschen ist Alles in der
Natur verbunden, eben weil der Mensch
nur Mensch ist und allein mit seinen Or-
ganen die Natur siehet und gebrauchet.

15.

Hieraus entspringt ein Wettkampf
menschlicher Kräfte, der immer vermehrt
werden muß, je mehr die Sphäre des Er-
kenntnisses und der Uebung zunimmt. Ele-

vor. Weder die Aſymptote, noch die El-
lipſe und Cykloide moͤgen den Lauf der
Natur uns vormahlen. Jetzt fallen die
Menſchen begierig uͤber einen Gegenſtand
her; jetzt verlaſſen ſie ihn mitten im Werk;
entweder ſeiner muͤde, oder weil ein an-
drer neuerer Gegenſtand ſie zu ſich hin-
reißt. Wenn dieſer ihnen alt geworden
iſt, werden ſie zu jenem zuruͤckkehren; oder
dieſer wird ſie gar auf jenen zuruͤckleiten.
Denn fuͤr den Menſchen iſt Alles in der
Natur verbunden, eben weil der Menſch
nur Menſch iſt und allein mit ſeinen Or-
ganen die Natur ſiehet und gebrauchet.

15.

Hieraus entſpringt ein Wettkampf
menſchlicher Kraͤfte, der immer vermehrt
werden muß, je mehr die Sphaͤre des Er-
kenntniſſes und der Uebung zunimmt. Ele-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="114"/>
vor. Weder die A&#x017F;ymptote, noch die El-<lb/>
lip&#x017F;e und Cykloide mo&#x0364;gen den Lauf der<lb/>
Natur uns vormahlen. Jetzt fallen die<lb/>
Men&#x017F;chen begierig u&#x0364;ber einen Gegen&#x017F;tand<lb/>
her; jetzt verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie ihn mitten im Werk;<lb/>
entweder &#x017F;einer mu&#x0364;de, oder weil ein an-<lb/>
drer neuerer Gegen&#x017F;tand &#x017F;ie zu &#x017F;ich hin-<lb/>
reißt. Wenn die&#x017F;er ihnen alt geworden<lb/>
i&#x017F;t, werden &#x017F;ie zu jenem zuru&#x0364;ckkehren; oder<lb/>
die&#x017F;er wird &#x017F;ie gar auf jenen zuru&#x0364;ckleiten.<lb/>
Denn fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen i&#x017F;t Alles in der<lb/>
Natur verbunden, eben weil der Men&#x017F;ch<lb/>
nur Men&#x017F;ch i&#x017F;t und allein mit <hi rendition="#g">&#x017F;einen</hi> Or-<lb/>
ganen die Natur &#x017F;iehet und gebrauchet.</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">15.</hi> </p><lb/>
        <p>Hieraus ent&#x017F;pringt ein <hi rendition="#g">Wettkampf</hi><lb/>
men&#x017F;chlicher Kra&#x0364;fte, der immer <hi rendition="#g">vermehrt</hi><lb/>
werden muß, je mehr die Spha&#x0364;re des Er-<lb/>
kenntni&#x017F;&#x017F;es und der Uebung zunimmt. Ele-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0119] vor. Weder die Aſymptote, noch die El- lipſe und Cykloide moͤgen den Lauf der Natur uns vormahlen. Jetzt fallen die Menſchen begierig uͤber einen Gegenſtand her; jetzt verlaſſen ſie ihn mitten im Werk; entweder ſeiner muͤde, oder weil ein an- drer neuerer Gegenſtand ſie zu ſich hin- reißt. Wenn dieſer ihnen alt geworden iſt, werden ſie zu jenem zuruͤckkehren; oder dieſer wird ſie gar auf jenen zuruͤckleiten. Denn fuͤr den Menſchen iſt Alles in der Natur verbunden, eben weil der Menſch nur Menſch iſt und allein mit ſeinen Or- ganen die Natur ſiehet und gebrauchet. 15. Hieraus entſpringt ein Wettkampf menſchlicher Kraͤfte, der immer vermehrt werden muß, je mehr die Sphaͤre des Er- kenntniſſes und der Uebung zunimmt. Ele-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/119
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/119>, abgerufen am 22.11.2024.