Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Fast immer tönet diese Stimme um mein
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften lese.
Man wandelt in ihnen wie auf klaßischem
Boden; ein Gefühl für die Würde, den
Werth, die Schönheit der Wissenschaften
ist in seine kleinsten und größesten Aufsätze
verbreitet.

Insonderheit lebt sein Geist in einer ge-
wißen Reihe erwählter größerer
Seelen
, die er, meistens aus dem Alter-
thum, sich zu Lieblingsnamen seiner Phan-
tasie, zu Vorbildern, an denen er gern
verweilet, ausersehen hatte. In Hand-
lungen des Krieges und des Friedens, in
Geschäften der Regierung, und in Bezie-
hungen der Menschheit kommen sie ihm oft
wieder, als alte Lehrer und Freunde; so
wie es denn bekannt ist, daß er nur wenige
Schriftsteller, diese aber immer von neuem
las und in seine Gedanken prägte. Nach

Faſt immer toͤnet dieſe Stimme um mein
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften leſe.
Man wandelt in ihnen wie auf klaßiſchem
Boden; ein Gefuͤhl fuͤr die Wuͤrde, den
Werth, die Schoͤnheit der Wiſſenſchaften
iſt in ſeine kleinſten und groͤßeſten Aufſaͤtze
verbreitet.

Inſonderheit lebt ſein Geiſt in einer ge-
wißen Reihe erwaͤhlter groͤßerer
Seelen
, die er, meiſtens aus dem Alter-
thum, ſich zu Lieblingsnamen ſeiner Phan-
taſie, zu Vorbildern, an denen er gern
verweilet, auserſehen hatte. In Hand-
lungen des Krieges und des Friedens, in
Geſchaͤften der Regierung, und in Bezie-
hungen der Menſchheit kommen ſie ihm oft
wieder, als alte Lehrer und Freunde; ſo
wie es denn bekannt iſt, daß er nur wenige
Schriftſteller, dieſe aber immer von neuem
las und in ſeine Gedanken praͤgte. Nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0079" n="72"/>
        <p>Fa&#x017F;t immer to&#x0364;net die&#x017F;e Stimme um mein<lb/>
Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften le&#x017F;e.<lb/>
Man wandelt in ihnen wie auf klaßi&#x017F;chem<lb/>
Boden; ein Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r die Wu&#x0364;rde, den<lb/>
Werth, die Scho&#x0364;nheit der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften<lb/>
i&#x017F;t in &#x017F;eine klein&#x017F;ten und gro&#x0364;ße&#x017F;ten Auf&#x017F;a&#x0364;tze<lb/>
verbreitet.</p><lb/>
        <p>In&#x017F;onderheit lebt &#x017F;ein Gei&#x017F;t in einer ge-<lb/>
wißen <hi rendition="#g">Reihe erwa&#x0364;hlter gro&#x0364;ßerer<lb/>
Seelen</hi>, die er, mei&#x017F;tens aus dem Alter-<lb/>
thum, &#x017F;ich zu Lieblingsnamen &#x017F;einer Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie, zu Vorbildern, an denen er gern<lb/>
verweilet, auser&#x017F;ehen hatte. In Hand-<lb/>
lungen des Krieges und des Friedens, in<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ften der Regierung, und in Bezie-<lb/>
hungen der Men&#x017F;chheit kommen &#x017F;ie ihm oft<lb/>
wieder, als alte Lehrer und Freunde; &#x017F;o<lb/>
wie es denn bekannt i&#x017F;t, daß er nur wenige<lb/>
Schrift&#x017F;teller, die&#x017F;e aber immer von neuem<lb/>
las und in &#x017F;eine Gedanken pra&#x0364;gte. Nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0079] Faſt immer toͤnet dieſe Stimme um mein Ohr, wenn ich Friedrichs Schriften leſe. Man wandelt in ihnen wie auf klaßiſchem Boden; ein Gefuͤhl fuͤr die Wuͤrde, den Werth, die Schoͤnheit der Wiſſenſchaften iſt in ſeine kleinſten und groͤßeſten Aufſaͤtze verbreitet. Inſonderheit lebt ſein Geiſt in einer ge- wißen Reihe erwaͤhlter groͤßerer Seelen, die er, meiſtens aus dem Alter- thum, ſich zu Lieblingsnamen ſeiner Phan- taſie, zu Vorbildern, an denen er gern verweilet, auserſehen hatte. In Hand- lungen des Krieges und des Friedens, in Geſchaͤften der Regierung, und in Bezie- hungen der Menſchheit kommen ſie ihm oft wieder, als alte Lehrer und Freunde; ſo wie es denn bekannt iſt, daß er nur wenige Schriftſteller, dieſe aber immer von neuem las und in ſeine Gedanken praͤgte. Nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/79
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/79>, abgerufen am 05.05.2024.