noch sein Geist nach dem Ableben seines alten vielgeübten Körpers. Briefe, Ge- spräche, ja Worte von ihm, die, so lang' er König war, als Ehre gesucht, als Schätze umhergetragen wurden, sind jetzt ein gemeines Gut. Man kann sie uner- schrocken prüfen, im Zusammenhange seines langen Lebens beherzigen; man darf ihnen widersprechen, und sie mit seinen Thaten vergleichen.
Zuerst also griff ich nicht nach Werken, die er absichtlich für die Welt geschrieben hatte, sondern nach seinem Briefwechsel, und unter diesem auf den längsten und in- tereßantsten mit Voltäre. Er erstreckt sich von 1736 bis 1777, also über vierzig Jahre, und zeigt die Seele des großen Königes in den verschiedensten Situationen seines Le- bens. Ich will einige Züge und Stellen auszeichnen.
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noch ſein Geiſt nach dem Ableben ſeines alten vielgeuͤbten Koͤrpers. Briefe, Ge- ſpraͤche, ja Worte von ihm, die, ſo lang' er Koͤnig war, als Ehre geſucht, als Schaͤtze umhergetragen wurden, ſind jetzt ein gemeines Gut. Man kann ſie uner- ſchrocken pruͤfen, im Zuſammenhange ſeines langen Lebens beherzigen; man darf ihnen widerſprechen, und ſie mit ſeinen Thaten vergleichen.
Zuerſt alſo griff ich nicht nach Werken, die er abſichtlich fuͤr die Welt geſchrieben hatte, ſondern nach ſeinem Briefwechſel, und unter dieſem auf den laͤngſten und in- tereßantſten mit Voltaͤre. Er erſtreckt ſich von 1736 bis 1777, alſo uͤber vierzig Jahre, und zeigt die Seele des großen Koͤniges in den verſchiedenſten Situationen ſeines Le- bens. Ich will einige Zuͤge und Stellen auszeichnen.
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noch ſein Geiſt nach dem Ableben ſeines
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er Koͤnig war, als Ehre geſucht, als
Schaͤtze umhergetragen wurden, ſind jetzt
ein gemeines Gut. Man kann ſie uner-
ſchrocken pruͤfen, im Zuſammenhange ſeines
langen Lebens beherzigen; man darf ihnen
widerſprechen, und ſie mit ſeinen Thaten
vergleichen.
Zuerſt alſo griff ich nicht nach Werken,
die er abſichtlich fuͤr die Welt geſchrieben
hatte, ſondern nach ſeinem Briefwechſel,
und unter dieſem auf den laͤngſten und in-
tereßantſten mit Voltaͤre. Er erſtreckt ſich
von 1736 bis 1777, alſo uͤber vierzig Jahre,
und zeigt die Seele des großen Koͤniges in
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bens. Ich will einige Zuͤge und Stellen
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/74>, abgerufen am 27.07.2024.
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