Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

schäft, das Werk ihres Lebens, selbst an-
sahn? Eine treue Erzählung hievon, wo
möglich aus dem Munde, oder den Schrif-
ten der Entschlafnen, oder von denen die
sie nahe gekannt und bemerkt haben, wäre
wie eine Stimme aus dem Grabe,
wie ein Testament des Verstorbnen über sein
eigenstes Eigenthum, über seinen edelsten
Nachlaß.

2. Hieraus folgte, daß bei Männern
der Wissenschaft man sich nothwendig auf
den Werth und die Wirkung ihrer
Schriften, bei thätigen Geschäftsmän-
nern auf den Beruf einlaßen müßte, in
welchem sie der Menschheit dien-
ten. Bei Crugot z. B. sind seine Pre-
digten vom Verfasser des Christen
in der Einsamkeit nicht genannt, mit
denen er doch, zumal im zweiten Theil,
seinen Zeitgenossen so weit vorschritt. Cru-

ſchaͤft, das Werk ihres Lebens, ſelbſt an-
ſahn? Eine treue Erzaͤhlung hievon, wo
moͤglich aus dem Munde, oder den Schrif-
ten der Entſchlafnen, oder von denen die
ſie nahe gekannt und bemerkt haben, waͤre
wie eine Stimme aus dem Grabe,
wie ein Teſtament des Verſtorbnen uͤber ſein
eigenſtes Eigenthum, uͤber ſeinen edelſten
Nachlaß.

2. Hieraus folgte, daß bei Maͤnnern
der Wiſſenſchaft man ſich nothwendig auf
den Werth und die Wirkung ihrer
Schriften, bei thaͤtigen Geſchaͤftsmaͤn-
nern auf den Beruf einlaßen muͤßte, in
welchem ſie der Menſchheit dien-
ten. Bei Crugot z. B. ſind ſeine Pre-
digten vom Verfaſſer des Chriſten
in der Einſamkeit nicht genannt, mit
denen er doch, zumal im zweiten Theil,
ſeinen Zeitgenoſſen ſo weit vorſchritt. Cru-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="44"/>
&#x017F;cha&#x0364;ft, das Werk ihres Lebens, &#x017F;elb&#x017F;t an-<lb/>
&#x017F;ahn? Eine treue Erza&#x0364;hlung hievon, wo<lb/>
mo&#x0364;glich aus dem Munde, oder den Schrif-<lb/>
ten der Ent&#x017F;chlafnen, oder von denen die<lb/>
&#x017F;ie nahe gekannt und bemerkt haben, wa&#x0364;re<lb/>
wie eine <hi rendition="#g">Stimme aus dem Grabe</hi>,<lb/>
wie ein Te&#x017F;tament des Ver&#x017F;torbnen u&#x0364;ber &#x017F;ein<lb/>
eigen&#x017F;tes Eigenthum, u&#x0364;ber &#x017F;einen edel&#x017F;ten<lb/>
Nachlaß.</p><lb/>
        <p>2. Hieraus folgte, daß bei Ma&#x0364;nnern<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft man &#x017F;ich nothwendig <hi rendition="#g">auf<lb/>
den Werth und die Wirkung ihrer<lb/>
Schriften</hi>, bei tha&#x0364;tigen Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsma&#x0364;n-<lb/>
nern auf den <hi rendition="#g">Beruf</hi> einlaßen mu&#x0364;ßte, <hi rendition="#g">in<lb/>
welchem &#x017F;ie der Men&#x017F;chheit dien</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ten</hi>. Bei <hi rendition="#g">Crugot</hi> z. B. &#x017F;ind &#x017F;eine <hi rendition="#g">Pre</hi>-<lb/><hi rendition="#g">digten vom Verfa&#x017F;&#x017F;er des Chri&#x017F;ten<lb/>
in der Ein&#x017F;amkeit</hi> nicht genannt, mit<lb/>
denen er doch, zumal im zweiten Theil,<lb/>
&#x017F;einen Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o weit vor&#x017F;chritt. <hi rendition="#g">Cru</hi>-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0051] ſchaͤft, das Werk ihres Lebens, ſelbſt an- ſahn? Eine treue Erzaͤhlung hievon, wo moͤglich aus dem Munde, oder den Schrif- ten der Entſchlafnen, oder von denen die ſie nahe gekannt und bemerkt haben, waͤre wie eine Stimme aus dem Grabe, wie ein Teſtament des Verſtorbnen uͤber ſein eigenſtes Eigenthum, uͤber ſeinen edelſten Nachlaß. 2. Hieraus folgte, daß bei Maͤnnern der Wiſſenſchaft man ſich nothwendig auf den Werth und die Wirkung ihrer Schriften, bei thaͤtigen Geſchaͤftsmaͤn- nern auf den Beruf einlaßen muͤßte, in welchem ſie der Menſchheit dien- ten. Bei Crugot z. B. ſind ſeine Pre- digten vom Verfaſſer des Chriſten in der Einſamkeit nicht genannt, mit denen er doch, zumal im zweiten Theil, ſeinen Zeitgenoſſen ſo weit vorſchritt. Cru-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/51
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/51>, abgerufen am 28.04.2024.