mir auch meine Vernunft und Lebens- weise, die Ehre und Rechte meines Volks rauben." Wahrlich, wie Gott alle Spra- chen der Welt duldet, so sollte auch ein Regent die verschiednen Sprachen seiner Völker nicht nur dulden, sondern auch ehren.
A. Er wollte aber eine schnellere Betreibung der Geschäfte, eine schnellere Cultur be- wirken.
B. Die beste Cultur eines Volks ist nicht schnell; sie läßt sich durch eine fremde Sprache nicht erzwingen; am schönsten, und ich möchte sagen, einzig gedeihet sie auf dem eignen Boden der Nation, in ihrer ererbten und sich forterbenden Mund- art. Mit der Sprache erbeutet man das Herz des Volks, und ists nicht ein großer Gedanke, unter so vielen Völkern, Un- garn, Slaven, Wlachen u. f. Keime des
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mir auch meine Vernunft und Lebens- weiſe, die Ehre und Rechte meines Volks rauben.“ Wahrlich, wie Gott alle Spra- chen der Welt duldet, ſo ſollte auch ein Regent die verſchiednen Sprachen ſeiner Voͤlker nicht nur dulden, ſondern auch ehren.
A. Er wollte aber eine ſchnellere Betreibung der Geſchaͤfte, eine ſchnellere Cultur be- wirken.
B. Die beſte Cultur eines Volks iſt nicht ſchnell; ſie laͤßt ſich durch eine fremde Sprache nicht erzwingen; am ſchoͤnſten, und ich moͤchte ſagen, einzig gedeihet ſie auf dem eignen Boden der Nation, in ihrer ererbten und ſich forterbenden Mund- art. Mit der Sprache erbeutet man das Herz des Volks, und iſts nicht ein großer Gedanke, unter ſo vielen Voͤlkern, Un- garn, Slaven, Wlachen u. f. Keime des
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mir auch meine Vernunft und Lebens-
weiſe, die Ehre und Rechte meines Volks
rauben.“ Wahrlich, wie Gott alle Spra-
chen der Welt duldet, ſo ſollte auch ein
Regent die verſchiednen Sprachen ſeiner
Voͤlker nicht nur dulden, ſondern auch
ehren.
A. Er wollte aber eine ſchnellere Betreibung
der Geſchaͤfte, eine ſchnellere Cultur be-
wirken.
B. Die beſte Cultur eines Volks iſt nicht
ſchnell; ſie laͤßt ſich durch eine fremde
Sprache nicht erzwingen; am ſchoͤnſten,
und ich moͤchte ſagen, einzig gedeihet ſie
auf dem eignen Boden der Nation, in
ihrer ererbten und ſich forterbenden Mund-
art. Mit der Sprache erbeutet man das
Herz des Volks, und iſts nicht ein großer
Gedanke, unter ſo vielen Voͤlkern, Un-
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/154>, abgerufen am 16.02.2025.
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