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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793.

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A. Ueberspannte Hoffnungen!

B. Nicht überspannte; weil alles für ihn
bereit stand und nur auf seinen Wink
wartete. Welch ein Zeitalter hätte Jo-
seph erwecken können, für sich und für
andre! Bei dem unendlich vielen, was
er sah, übersah er dieses.

A. Der deutschen Sprache und Schaubühne
indeß hat er doch genutzet.

B. Ich glaube es. Und wie viel andern
hätte er mit der leichtesten Mühe nutzen
können, wenn ihm von Kindheit auf der
Geschmack daran beigebracht wäre! Un-
glücklich ist ein künftiger Regent, dem in
seiner Jugend der Quell verschloßen oder
trübe gemacht wird, der ihm in seiner
künftigen, ewig zerstreuenden und er-
müdenden Laufbahn doch allein die schönste
Erquickung geben kann und muß. Nur

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A. Ueberſpannte Hoffnungen!

B. Nicht uͤberſpannte; weil alles fuͤr ihn
bereit ſtand und nur auf ſeinen Wink
wartete. Welch ein Zeitalter haͤtte Jo-
ſeph erwecken koͤnnen, fuͤr ſich und fuͤr
andre! Bei dem unendlich vielen, was
er ſah, uͤberſah er dieſes.

A. Der deutſchen Sprache und Schaubuͤhne
indeß hat er doch genutzet.

B. Ich glaube es. Und wie viel andern
haͤtte er mit der leichteſten Muͤhe nutzen
koͤnnen, wenn ihm von Kindheit auf der
Geſchmack daran beigebracht waͤre! Un-
gluͤcklich iſt ein kuͤnftiger Regent, dem in
ſeiner Jugend der Quell verſchloßen oder
truͤbe gemacht wird, der ihm in ſeiner
kuͤnftigen, ewig zerſtreuenden und er-
muͤdenden Laufbahn doch allein die ſchoͤnſte
Erquickung geben kann und muß. Nur

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[133/0140] A. Ueberſpannte Hoffnungen! B. Nicht uͤberſpannte; weil alles fuͤr ihn bereit ſtand und nur auf ſeinen Wink wartete. Welch ein Zeitalter haͤtte Jo- ſeph erwecken koͤnnen, fuͤr ſich und fuͤr andre! Bei dem unendlich vielen, was er ſah, uͤberſah er dieſes. A. Der deutſchen Sprache und Schaubuͤhne indeß hat er doch genutzet. B. Ich glaube es. Und wie viel andern haͤtte er mit der leichteſten Muͤhe nutzen koͤnnen, wenn ihm von Kindheit auf der Geſchmack daran beigebracht waͤre! Un- gluͤcklich iſt ein kuͤnftiger Regent, dem in ſeiner Jugend der Quell verſchloßen oder truͤbe gemacht wird, der ihm in ſeiner kuͤnftigen, ewig zerſtreuenden und er- muͤdenden Laufbahn doch allein die ſchoͤnſte Erquickung geben kann und muß. Nur I 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 1. Riga, 1793, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet01_1793/140>, abgerufen am 21.11.2024.