Zweitens. Jndessen hindert nichts, daß dieser vielä- stige Menschenstamm mit allen seinen Zweigen nicht aus Ei- ner Wurzel entstanden seyn könne, folglich auch Einartigkeit in seinen Früchten zeige. Und dies ists, was man mit der herrschenden Gesichtsbildung und Gestalt der Amerikaner sa- gen wolltea). Ulloa bemerkt in der mittlern Gegend be- sonders die kleine mit Haaren bewachsne Stirn, kleine Augen, eine dünne, nach der Oberlippe gekrümmte Nase, ein brei- tes Gesicht, große Ohren, wohlgemachte Schenkel, kleine Füße, eine untersetzte Gestalt; und diese Züge gehen über Mexico hinüber. Pinto setzt hinzu, daß die Nase etwas flach, das Gesicht rund, die Augen schwarz oder Kastanien- braun, klein aber scharf und die Ohren vom Gesicht sehr ent- fernt seynb); welches sich ebenfalls in Abbildungen sehr entlegner Völker zeiget. Diese Hauptphysiognomie, die sich nach Zonen und Völkern im Feinern verändert, scheint wie ein Familienzug auch in den verschiedensten noch kennbar und weiset allerdings auf einen ziemlich einförmigen Ursprung. Wären Völker aus allen Welttheilen, zu sehr verschied- nen Zeiten nach Amerika gekommen; mochten sie sich vermi- schen oder unvermischt bleiben, so hätte die Diversität der Menschengattung allerdings größer seyn müssen. Blaue
Augen
a)Robertsons Gesch. von Amerika Th. 1. S. 539.
b) Eben das. S. 537.
J 2
Zweitens. Jndeſſen hindert nichts, daß dieſer vielaͤ- ſtige Menſchenſtamm mit allen ſeinen Zweigen nicht aus Ei- ner Wurzel entſtanden ſeyn koͤnne, folglich auch Einartigkeit in ſeinen Fruͤchten zeige. Und dies iſts, was man mit der herrſchenden Geſichtsbildung und Geſtalt der Amerikaner ſa- gen wolltea). Ulloa bemerkt in der mittlern Gegend be- ſonders die kleine mit Haaren bewachſne Stirn, kleine Augen, eine duͤnne, nach der Oberlippe gekruͤmmte Naſe, ein brei- tes Geſicht, große Ohren, wohlgemachte Schenkel, kleine Fuͤße, eine unterſetzte Geſtalt; und dieſe Zuͤge gehen uͤber Mexico hinuͤber. Pinto ſetzt hinzu, daß die Naſe etwas flach, das Geſicht rund, die Augen ſchwarz oder Kaſtanien- braun, klein aber ſcharf und die Ohren vom Geſicht ſehr ent- fernt ſeynb); welches ſich ebenfalls in Abbildungen ſehr entlegner Voͤlker zeiget. Dieſe Hauptphyſiognomie, die ſich nach Zonen und Voͤlkern im Feinern veraͤndert, ſcheint wie ein Familienzug auch in den verſchiedenſten noch kennbar und weiſet allerdings auf einen ziemlich einfoͤrmigen Urſprung. Waͤren Voͤlker aus allen Welttheilen, zu ſehr verſchied- nen Zeiten nach Amerika gekommen; mochten ſie ſich vermi- ſchen oder unvermiſcht bleiben, ſo haͤtte die Diverſitaͤt der Menſchengattung allerdings groͤßer ſeyn muͤſſen. Blaue
Augen
a)Robertſons Geſch. von Amerika Th. 1. S. 539.
b) Eben daſ. S. 537.
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Zweitens. Jndeſſen hindert nichts, daß dieſer vielaͤ-
ſtige Menſchenſtamm mit allen ſeinen Zweigen nicht aus Ei-
ner Wurzel entſtanden ſeyn koͤnne, folglich auch Einartigkeit
in ſeinen Fruͤchten zeige. Und dies iſts, was man mit der
herrſchenden Geſichtsbildung und Geſtalt der Amerikaner ſa-
gen wollte a). Ulloa bemerkt in der mittlern Gegend be-
ſonders die kleine mit Haaren bewachſne Stirn, kleine Augen,
eine duͤnne, nach der Oberlippe gekruͤmmte Naſe, ein brei-
tes Geſicht, große Ohren, wohlgemachte Schenkel, kleine
Fuͤße, eine unterſetzte Geſtalt; und dieſe Zuͤge gehen uͤber
Mexico hinuͤber. Pinto ſetzt hinzu, daß die Naſe etwas
flach, das Geſicht rund, die Augen ſchwarz oder Kaſtanien-
braun, klein aber ſcharf und die Ohren vom Geſicht ſehr ent-
fernt ſeyn b); welches ſich ebenfalls in Abbildungen ſehr
entlegner Voͤlker zeiget. Dieſe Hauptphyſiognomie, die
ſich nach Zonen und Voͤlkern im Feinern veraͤndert, ſcheint
wie ein Familienzug auch in den verſchiedenſten noch kennbar
und weiſet allerdings auf einen ziemlich einfoͤrmigen Urſprung.
Waͤren Voͤlker aus allen Welttheilen, zu ſehr verſchied-
nen Zeiten nach Amerika gekommen; mochten ſie ſich vermi-
ſchen oder unvermiſcht bleiben, ſo haͤtte die Diverſitaͤt der
Menſchengattung allerdings groͤßer ſeyn muͤſſen. Blaue
Augen
a) Robertſons Geſch. von Amerika Th. 1. S. 539.
b) Eben daſ. S. 537.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/79>, abgerufen am 05.05.2024.
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