Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Nordens war: andre formten es viereckt oder drückten den
Kopf zwischen die Schultern, damit das neue Klima weder
ihre Länge noch Gestalt verändern möchte. Kein andrer
Erdstrich als das östliche Asien zeigt Proben solcher gewalt-
samen Verzierungen, und wie wir sahen, wahrscheinlich
auch in der nämlichen Absicht, das Ansehen des Stammes
in fernen Gegenden zu erhalten; selbst dieser Geist der Ver-
zierung ging also vielleicht schon mit hinüber.

Endlich kann uns am wenigsten die Kupferrothe Farbe
der Amerikaner irren: denn die Farbe der Geschlechter fiel
schon im östlichen Asien ins braunrothe, und wahrscheinlich
wars die Luft eines andern Welttheils, die Salben und an-
dre Dinge, die hier die Farbe erhöhten. Jch wundre mich
so wenig, daß der Neger schwarz und der Amerikaner roth
ist, da sie, als so verschiedne Geschlechter, in so verschiednen
Himmelsstrichen Jahrtausende lang gewohnt haben, daß
ich mich vielmehr wundern würde, wenn auf einer runden
Erde alles Schneeweiß oder braun wäre. Sehen wir nicht
bei der gröbern Organisation der Thiere sich in verschied-
nen Gegenden der Welt so gar veste Theile verändern? und
was hat mehr zu sagen, eine Veränderung der Glieder des
Körpers in ihrer ganzen Proportion und Haltung; oder ein
etwas mehr und anders gefärbtes Netz unter der Haut?

Lasset

Nordens war: andre formten es viereckt oder druͤckten den
Kopf zwiſchen die Schultern, damit das neue Klima weder
ihre Laͤnge noch Geſtalt veraͤndern moͤchte. Kein andrer
Erdſtrich als das oͤſtliche Aſien zeigt Proben ſolcher gewalt-
ſamen Verzierungen, und wie wir ſahen, wahrſcheinlich
auch in der naͤmlichen Abſicht, das Anſehen des Stammes
in fernen Gegenden zu erhalten; ſelbſt dieſer Geiſt der Ver-
zierung ging alſo vielleicht ſchon mit hinuͤber.

Endlich kann uns am wenigſten die Kupferrothe Farbe
der Amerikaner irren: denn die Farbe der Geſchlechter fiel
ſchon im oͤſtlichen Aſien ins braunrothe, und wahrſcheinlich
wars die Luft eines andern Welttheils, die Salben und an-
dre Dinge, die hier die Farbe erhoͤhten. Jch wundre mich
ſo wenig, daß der Neger ſchwarz und der Amerikaner roth
iſt, da ſie, als ſo verſchiedne Geſchlechter, in ſo verſchiednen
Himmelsſtrichen Jahrtauſende lang gewohnt haben, daß
ich mich vielmehr wundern wuͤrde, wenn auf einer runden
Erde alles Schneeweiß oder braun waͤre. Sehen wir nicht
bei der groͤbern Organiſation der Thiere ſich in verſchied-
nen Gegenden der Welt ſo gar veſte Theile veraͤndern? und
was hat mehr zu ſagen, eine Veraͤnderung der Glieder des
Koͤrpers in ihrer ganzen Proportion und Haltung; oder ein
etwas mehr und anders gefaͤrbtes Netz unter der Haut?

Laſſet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="58"/>
Nordens war: andre formten es viereckt oder dru&#x0364;ckten den<lb/>
Kopf zwi&#x017F;chen die Schultern, damit das neue Klima weder<lb/>
ihre La&#x0364;nge noch Ge&#x017F;talt vera&#x0364;ndern mo&#x0364;chte. Kein andrer<lb/>
Erd&#x017F;trich als das o&#x0364;&#x017F;tliche A&#x017F;ien zeigt Proben &#x017F;olcher gewalt-<lb/>
&#x017F;amen Verzierungen, und wie wir &#x017F;ahen, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
auch in der na&#x0364;mlichen Ab&#x017F;icht, das An&#x017F;ehen des Stammes<lb/>
in fernen Gegenden zu erhalten; &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;er Gei&#x017F;t der Ver-<lb/>
zierung ging al&#x017F;o vielleicht &#x017F;chon mit hinu&#x0364;ber.</p><lb/>
          <p>Endlich kann uns am wenig&#x017F;ten die Kupferrothe Farbe<lb/>
der Amerikaner irren: denn die Farbe der Ge&#x017F;chlechter fiel<lb/>
&#x017F;chon im o&#x0364;&#x017F;tlichen A&#x017F;ien ins braunrothe, und wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
wars die Luft eines andern Welttheils, die Salben und an-<lb/>
dre Dinge, die hier die Farbe erho&#x0364;hten. Jch wundre mich<lb/>
&#x017F;o wenig, daß der Neger &#x017F;chwarz und der Amerikaner roth<lb/>
i&#x017F;t, da &#x017F;ie, als &#x017F;o ver&#x017F;chiedne Ge&#x017F;chlechter, in &#x017F;o ver&#x017F;chiednen<lb/>
Himmels&#x017F;trichen Jahrtau&#x017F;ende lang gewohnt haben, daß<lb/>
ich mich vielmehr wundern wu&#x0364;rde, wenn auf einer runden<lb/>
Erde alles Schneeweiß oder braun wa&#x0364;re. Sehen wir nicht<lb/>
bei der gro&#x0364;bern Organi&#x017F;ation der Thiere &#x017F;ich in ver&#x017F;chied-<lb/>
nen Gegenden der Welt &#x017F;o gar ve&#x017F;te Theile vera&#x0364;ndern? und<lb/>
was hat mehr zu &#x017F;agen, eine Vera&#x0364;nderung der Glieder des<lb/>
Ko&#x0364;rpers in ihrer ganzen Proportion und Haltung; oder ein<lb/>
etwas mehr und anders gefa&#x0364;rbtes Netz unter der Haut?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">La&#x017F;&#x017F;et</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0070] Nordens war: andre formten es viereckt oder druͤckten den Kopf zwiſchen die Schultern, damit das neue Klima weder ihre Laͤnge noch Geſtalt veraͤndern moͤchte. Kein andrer Erdſtrich als das oͤſtliche Aſien zeigt Proben ſolcher gewalt- ſamen Verzierungen, und wie wir ſahen, wahrſcheinlich auch in der naͤmlichen Abſicht, das Anſehen des Stammes in fernen Gegenden zu erhalten; ſelbſt dieſer Geiſt der Ver- zierung ging alſo vielleicht ſchon mit hinuͤber. Endlich kann uns am wenigſten die Kupferrothe Farbe der Amerikaner irren: denn die Farbe der Geſchlechter fiel ſchon im oͤſtlichen Aſien ins braunrothe, und wahrſcheinlich wars die Luft eines andern Welttheils, die Salben und an- dre Dinge, die hier die Farbe erhoͤhten. Jch wundre mich ſo wenig, daß der Neger ſchwarz und der Amerikaner roth iſt, da ſie, als ſo verſchiedne Geſchlechter, in ſo verſchiednen Himmelsſtrichen Jahrtauſende lang gewohnt haben, daß ich mich vielmehr wundern wuͤrde, wenn auf einer runden Erde alles Schneeweiß oder braun waͤre. Sehen wir nicht bei der groͤbern Organiſation der Thiere ſich in verſchied- nen Gegenden der Welt ſo gar veſte Theile veraͤndern? und was hat mehr zu ſagen, eine Veraͤnderung der Glieder des Koͤrpers in ihrer ganzen Proportion und Haltung; oder ein etwas mehr und anders gefaͤrbtes Netz unter der Haut? Laſſet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/70
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/70>, abgerufen am 29.11.2024.