Negerstämme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde sie kühlen, bleichet sich auch die Schwärze ins Gelbe. Auf kühlen Höhen wohnen weiße oder weißliche Völker; in nie- dern, eingeschlossenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr das Oel aus, das unter der Oberhaut den schwarzen Schein giebet. Erwägen wir nun, daß diese Schwarzen Jahrtau- sende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens- art sich demselben ganz einverleibet haben; bedenken wir, daß manche Umstände, die jetzt weniger wirken, in frühern Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer ersten rohen Stär- ke waren, auch stärker gewirkt haben müssen und daß in Jahrtausenden gleichsam das ganze Rad der Zufälle umläuft, das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde entwickelt werden kann: so wird uns die Kleinigkeit nicht wundern, daß die Haut einiger Nationen geschwärzt sei. Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun- gen andre, viel größere Abartungen bewirkt, als diese.
3. Und wie bewirkete sie diese kleine Veränderung? Mich dünkt, die Sache selbst zeigets. Es ist ein Oel, wo- mit sie diese Netzhaut färbte: der Schweiß der Neger und selbst der Europäer in diesen Gegenden färbet sich oft gelb: die Haut der Schwarzen ist ein dicker, weicher Sammet, nicht so gespannt und trocken wie die Haut der Weißen;
also
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Negerſtaͤmme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde ſie kuͤhlen, bleichet ſich auch die Schwaͤrze ins Gelbe. Auf kuͤhlen Hoͤhen wohnen weiße oder weißliche Voͤlker; in nie- dern, eingeſchloſſenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr das Oel aus, das unter der Oberhaut den ſchwarzen Schein giebet. Erwaͤgen wir nun, daß dieſe Schwarzen Jahrtau- ſende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens- art ſich demſelben ganz einverleibet haben; bedenken wir, daß manche Umſtaͤnde, die jetzt weniger wirken, in fruͤhern Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer erſten rohen Staͤr- ke waren, auch ſtaͤrker gewirkt haben muͤſſen und daß in Jahrtauſenden gleichſam das ganze Rad der Zufaͤlle umlaͤuft, das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde entwickelt werden kann: ſo wird uns die Kleinigkeit nicht wundern, daß die Haut einiger Nationen geſchwaͤrzt ſei. Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun- gen andre, viel groͤßere Abartungen bewirkt, als dieſe.
3. Und wie bewirkete ſie dieſe kleine Veraͤnderung? Mich duͤnkt, die Sache ſelbſt zeigets. Es iſt ein Oel, wo- mit ſie dieſe Netzhaut faͤrbte: der Schweiß der Neger und ſelbſt der Europaͤer in dieſen Gegenden faͤrbet ſich oft gelb: die Haut der Schwarzen iſt ein dicker, weicher Sammet, nicht ſo geſpannt und trocken wie die Haut der Weißen;
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Negerſtaͤmme, wo die Hitze abnimmt oder wo Seewinde ſie
kuͤhlen, bleichet ſich auch die Schwaͤrze ins Gelbe. Auf
kuͤhlen Hoͤhen wohnen weiße oder weißliche Voͤlker; in nie-
dern, eingeſchloſſenen Gegenden kocht auch die Sonne mehr
das Oel aus, das unter der Oberhaut den ſchwarzen Schein
giebet. Erwaͤgen wir nun, daß dieſe Schwarzen Jahrtau-
ſende lang in ihrem Welttheil gewohnt, ja durch ihre Lebens-
art ſich demſelben ganz einverleibet haben; bedenken wir,
daß manche Umſtaͤnde, die jetzt weniger wirken, in fruͤhern
Zeitaltern, da alle Elemente noch in ihrer erſten rohen Staͤr-
ke waren, auch ſtaͤrker gewirkt haben muͤſſen und daß in
Jahrtauſenden gleichſam das ganze Rad der Zufaͤlle umlaͤuft,
das, jetzt oder dann, alles entwickelt, was auf der Erde
entwickelt werden kann: ſo wird uns die Kleinigkeit nicht
wundern, daß die Haut einiger Nationen geſchwaͤrzt ſei.
Die Natur hat mit ihren fortgehenden, geheimen Wirkun-
gen andre, viel groͤßere Abartungen bewirkt, als dieſe.
3. Und wie bewirkete ſie dieſe kleine Veraͤnderung?
Mich duͤnkt, die Sache ſelbſt zeigets. Es iſt ein Oel, wo-
mit ſie dieſe Netzhaut faͤrbte: der Schweiß der Neger und
ſelbſt der Europaͤer in dieſen Gegenden faͤrbet ſich oft gelb:
die Haut der Schwarzen iſt ein dicker, weicher Sammet,
nicht ſo geſpannt und trocken wie die Haut der Weißen;
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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