I. Unsre Erde ist für ihre lebendige Schöpfung eine eigengebildete Erde.
Da der Ursprung der Menschengeschichte dem Philosophen sehr im Dunkeln ist und schon in ihren ältesten Zeiten Sonder- barkeiten erscheinen, die Der und Jener mit seinem System nicht zu fügen wuste: so ist man auf den verzweifelnden Weg gerathen, den Knoten zu zerschneiden und nicht nur die Erde als eine Trümmer voriger Bewohnung, sondern auch das Menschengeschlecht als einen überbliebenen, entkommenen Rest anzusehen, der, nachdem der Planet in einem andern Zustande, wie man sagt, seinen jüngsten Tag erlebt hatte, etwa auf Ber- gen oder in Hölen sich diesem allgemeinen Gericht entzogen habe. Seine Menschenvernunft, Kunst und Tradition sei ein
gerette-
I. Unſre Erde iſt fuͤr ihre lebendige Schoͤpfung eine eigengebildete Erde.
Da der Urſprung der Menſchengeſchichte dem Philoſophen ſehr im Dunkeln iſt und ſchon in ihren aͤlteſten Zeiten Sonder- barkeiten erſcheinen, die Der und Jener mit ſeinem Syſtem nicht zu fuͤgen wuſte: ſo iſt man auf den verzweifelnden Weg gerathen, den Knoten zu zerſchneiden und nicht nur die Erde als eine Truͤmmer voriger Bewohnung, ſondern auch das Menſchengeſchlecht als einen uͤberbliebenen, entkommenen Reſt anzuſehen, der, nachdem der Planet in einem andern Zuſtande, wie man ſagt, ſeinen juͤngſten Tag erlebt hatte, etwa auf Ber- gen oder in Hoͤlen ſich dieſem allgemeinen Gericht entzogen habe. Seine Menſchenvernunft, Kunſt und Tradition ſei ein
gerette-
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I.
Unſre Erde iſt fuͤr ihre lebendige Schoͤpfung eine
eigengebildete Erde.
Da der Urſprung der Menſchengeſchichte dem Philoſophen
ſehr im Dunkeln iſt und ſchon in ihren aͤlteſten Zeiten Sonder-
barkeiten erſcheinen, die Der und Jener mit ſeinem Syſtem
nicht zu fuͤgen wuſte: ſo iſt man auf den verzweifelnden Weg
gerathen, den Knoten zu zerſchneiden und nicht nur die Erde
als eine Truͤmmer voriger Bewohnung, ſondern auch das
Menſchengeſchlecht als einen uͤberbliebenen, entkommenen Reſt
anzuſehen, der, nachdem der Planet in einem andern Zuſtande,
wie man ſagt, ſeinen juͤngſten Tag erlebt hatte, etwa auf Ber-
gen oder in Hoͤlen ſich dieſem allgemeinen Gericht entzogen
habe. Seine Menſchenvernunft, Kunſt und Tradition ſei ein
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/291>, abgerufen am 21.05.2024.
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