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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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die Mine gefälligbescheiden und schüchtern; je näher also den Ge-
genden, wo die Fülle der Natur in lebendigen Wesen zunimmt,
wird auch die Menschenorganisation verhältnißmäßiger und fei-
ner. Je nördlicher herauf oder je weiter in die kalmuckischen
Steppen hinein, desto mehr platten oder verwildern sich die Ge-
sichtszüge auf nordische oder kalmuckische Weise. Allerdings
kommt hiebey auch vieles auf die Lebensart des Volks auf die
Beschaffenheit seines Bodens, auf seine Abkunft und Mi-
schung mit andern an. Die Gebürgtatarn erhalten ihre Zü-
ge reiner, als die in Steppen und Ebnen wohnen: Völker-
schaften, die den Dörfern und Städten nahe sind, mildern
und mischen auch mehr ihre Sitten und Züge. Je weniger
ein Volk verdrängt wird, je mehr es seiner einfachen, rau-
hen Lebensart treu bleiben muß; desto mehr erhält es auch
seine Bildung. Man wird also, da auf dieser großen, zum
Meer abhangenden Tafel der Tatarei, so viele Streifereien
und Umwälzungen vorgegangen sind, die mehr in einander
gemengt haben, als Gebürge, Wüsten und Ströme abson-
dern konnten, auch die Ausnahmen von der Regel bemerken;
und sodann bestätigen diese die Regel: denn unter die Nor-
dische, Tatarische und Mongolische Bildung ist alles getheilet.



II. Or-

die Mine gefaͤlligbeſcheiden und ſchuͤchtern; je naͤher alſo den Ge-
genden, wo die Fuͤlle der Natur in lebendigen Weſen zunimmt,
wird auch die Menſchenorganiſation verhaͤltnißmaͤßiger und fei-
ner. Je noͤrdlicher herauf oder je weiter in die kalmuckiſchen
Steppen hinein, deſto mehr platten oder verwildern ſich die Ge-
ſichtszuͤge auf nordiſche oder kalmuckiſche Weiſe. Allerdings
kommt hiebey auch vieles auf die Lebensart des Volks auf die
Beſchaffenheit ſeines Bodens, auf ſeine Abkunft und Mi-
ſchung mit andern an. Die Gebuͤrgtatarn erhalten ihre Zuͤ-
ge reiner, als die in Steppen und Ebnen wohnen: Voͤlker-
ſchaften, die den Doͤrfern und Staͤdten nahe ſind, mildern
und miſchen auch mehr ihre Sitten und Zuͤge. Je weniger
ein Volk verdraͤngt wird, je mehr es ſeiner einfachen, rau-
hen Lebensart treu bleiben muß; deſto mehr erhaͤlt es auch
ſeine Bildung. Man wird alſo, da auf dieſer großen, zum
Meer abhangenden Tafel der Tatarei, ſo viele Streifereien
und Umwaͤlzungen vorgegangen ſind, die mehr in einander
gemengt haben, als Gebuͤrge, Wuͤſten und Stroͤme abſon-
dern konnten, auch die Ausnahmen von der Regel bemerken;
und ſodann beſtaͤtigen dieſe die Regel: denn unter die Nor-
diſche, Tatariſche und Mongoliſche Bildung iſt alles getheilet.



II. Or-
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[14/0026] die Mine gefaͤlligbeſcheiden und ſchuͤchtern; je naͤher alſo den Ge- genden, wo die Fuͤlle der Natur in lebendigen Weſen zunimmt, wird auch die Menſchenorganiſation verhaͤltnißmaͤßiger und fei- ner. Je noͤrdlicher herauf oder je weiter in die kalmuckiſchen Steppen hinein, deſto mehr platten oder verwildern ſich die Ge- ſichtszuͤge auf nordiſche oder kalmuckiſche Weiſe. Allerdings kommt hiebey auch vieles auf die Lebensart des Volks auf die Beſchaffenheit ſeines Bodens, auf ſeine Abkunft und Mi- ſchung mit andern an. Die Gebuͤrgtatarn erhalten ihre Zuͤ- ge reiner, als die in Steppen und Ebnen wohnen: Voͤlker- ſchaften, die den Doͤrfern und Staͤdten nahe ſind, mildern und miſchen auch mehr ihre Sitten und Zuͤge. Je weniger ein Volk verdraͤngt wird, je mehr es ſeiner einfachen, rau- hen Lebensart treu bleiben muß; deſto mehr erhaͤlt es auch ſeine Bildung. Man wird alſo, da auf dieſer großen, zum Meer abhangenden Tafel der Tatarei, ſo viele Streifereien und Umwaͤlzungen vorgegangen ſind, die mehr in einander gemengt haben, als Gebuͤrge, Wuͤſten und Stroͤme abſon- dern konnten, auch die Ausnahmen von der Regel bemerken; und ſodann beſtaͤtigen dieſe die Regel: denn unter die Nor- diſche, Tatariſche und Mongoliſche Bildung iſt alles getheilet. II. Or-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/26>, abgerufen am 21.11.2024.