fahrvolle, kühne, männliche Unternehmung glaubte der Mann dem Joch aller kleinen Geschäfte entnommen zu seyn und über- ließ diese den Weibern. Daher die große Subalternität die- ses Geschlechts unter den meisten Wilden von allerlei Erd- strichen: daher auch die Geringschätzung der Söhne gegen ihre Mütter, sobald sie in die männlichen Jahre treten. Frü- he wurden sie zu Gefahrvollen Uebungen erzogen, also oft an die Vorzüge des Mannes erinnert und eine Art rauhen Kriegs- oder Arbeit-Muthes trat bald an die Stelle zärtlicher Neigung. Von Grönland bis zum Lande der Hottentotten herrscht diese Geringschätzung der Weiber bei allen uncultivirten Nationen, ob sie sich gleich in jedem Volk und Welttheil anders gestal- tet. Jn der Sklaverei sogar ist das Negerweib weit unter dem Neger und der armseligste Karibe dünkt sich in seinem Hause ein König.
Aber nicht nur die Schwachheit des Weibes scheint es dem Mann untergeordnet zu haben; sondern an den meisten Orten trug auch die größere Reizbarkeit desselben, seine List, ja überhaupt die feinere Beweglichkeit seiner Seele dazu noch ein mehreres bei. Die Morgenländer z. B. begreifen es nicht, wie in Europa, dem Reich der Weiber, ihre ungemessene Frei- heit ohne die äußerste Gefahr des Mannes stattfinden oder bestehen könne; bei ihnen, meinen sie, wäre alles voll Unruh,
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fahrvolle, kuͤhne, maͤnnliche Unternehmung glaubte der Mann dem Joch aller kleinen Geſchaͤfte entnommen zu ſeyn und uͤber- ließ dieſe den Weibern. Daher die große Subalternitaͤt die- ſes Geſchlechts unter den meiſten Wilden von allerlei Erd- ſtrichen: daher auch die Geringſchaͤtzung der Soͤhne gegen ihre Muͤtter, ſobald ſie in die maͤnnlichen Jahre treten. Fruͤ- he wurden ſie zu Gefahrvollen Uebungen erzogen, alſo oft an die Vorzuͤge des Mannes erinnert und eine Art rauhen Kriegs- oder Arbeit-Muthes trat bald an die Stelle zaͤrtlicher Neigung. Von Groͤnland bis zum Lande der Hottentotten herrſcht dieſe Geringſchaͤtzung der Weiber bei allen uncultivirten Nationen, ob ſie ſich gleich in jedem Volk und Welttheil anders geſtal- tet. Jn der Sklaverei ſogar iſt das Negerweib weit unter dem Neger und der armſeligſte Karibe duͤnkt ſich in ſeinem Hauſe ein Koͤnig.
Aber nicht nur die Schwachheit des Weibes ſcheint es dem Mann untergeordnet zu haben; ſondern an den meiſten Orten trug auch die groͤßere Reizbarkeit deſſelben, ſeine Liſt, ja uͤberhaupt die feinere Beweglichkeit ſeiner Seele dazu noch ein mehreres bei. Die Morgenlaͤnder z. B. begreifen es nicht, wie in Europa, dem Reich der Weiber, ihre ungemeſſene Frei- heit ohne die aͤußerſte Gefahr des Mannes ſtattfinden oder beſtehen koͤnne; bei ihnen, meinen ſie, waͤre alles voll Unruh,
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fahrvolle, kuͤhne, maͤnnliche Unternehmung glaubte der Mann
dem Joch aller kleinen Geſchaͤfte entnommen zu ſeyn und uͤber-
ließ dieſe den Weibern. Daher die große Subalternitaͤt die-
ſes Geſchlechts unter den meiſten Wilden von allerlei Erd-
ſtrichen: daher auch die Geringſchaͤtzung der Soͤhne gegen
ihre Muͤtter, ſobald ſie in die maͤnnlichen Jahre treten. Fruͤ-
he wurden ſie zu Gefahrvollen Uebungen erzogen, alſo oft an
die Vorzuͤge des Mannes erinnert und eine Art rauhen Kriegs-
oder Arbeit-Muthes trat bald an die Stelle zaͤrtlicher Neigung.
Von Groͤnland bis zum Lande der Hottentotten herrſcht dieſe
Geringſchaͤtzung der Weiber bei allen uncultivirten Nationen,
ob ſie ſich gleich in jedem Volk und Welttheil anders geſtal-
tet. Jn der Sklaverei ſogar iſt das Negerweib weit unter
dem Neger und der armſeligſte Karibe duͤnkt ſich in ſeinem
Hauſe ein Koͤnig.
Aber nicht nur die Schwachheit des Weibes ſcheint es
dem Mann untergeordnet zu haben; ſondern an den meiſten
Orten trug auch die groͤßere Reizbarkeit deſſelben, ſeine Liſt, ja
uͤberhaupt die feinere Beweglichkeit ſeiner Seele dazu noch ein
mehreres bei. Die Morgenlaͤnder z. B. begreifen es nicht,
wie in Europa, dem Reich der Weiber, ihre ungemeſſene Frei-
heit ohne die aͤußerſte Gefahr des Mannes ſtattfinden oder
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/193>, abgerufen am 24.11.2024.
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