Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.ist ihr Reich; nur allenthalben zeigt sie sich unter andern Sobald die Blume ihren Wuchs erreicht hat, blühet sie; Jedermann siehet, wie sehr diese Unterschiede das ganze len
iſt ihr Reich; nur allenthalben zeigt ſie ſich unter andern Sobald die Blume ihren Wuchs erreicht hat, bluͤhet ſie; Jedermann ſiehet, wie ſehr dieſe Unterſchiede das ganze len
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iſt ihr Reich; nur allenthalben zeigt ſie ſich unter andern
Geſtalten.
Sobald die Blume ihren Wuchs erreicht hat, bluͤhet ſie;
die Zeit der Bluͤthe richtet ſich alſo nach der Periode des Wuch-
ſes und dieſe nach der ſie emportreibenden Sonnenwaͤrme.
Die Zeit der fruͤheren oder ſpaͤteren Menſchenbluͤthe hangt
gleichfalls vom Klima ab und von allem, was zu ihm gehoͤret.
Sonderbar-weit ſind auf unſrer kleinen Erde die Zeiten der
menſchlichen Mannbarkeit nach Lebensarten und Erdſtrichen
verſchieden. Die Perſerin heirathet im achten und gebiert
im neunten Jahr; unſre alten Deutſchen waren dreiſſigjaͤhrige
Maͤnninnen, ehe ſie an die Liebe dachten.
Jedermann ſiehet, wie ſehr dieſe Unterſchiede das ganze
Verhaͤltniß der Geſchlechter zu einander aͤndern mußten. Die
Morgenlaͤnderin iſt ein Kind, wenn ſie verheirathet wird: ſie
bluͤhet fruͤhe auf und fruͤhe ab: ſie wird von dem erwachſne-
ren Mann alſo auch wie Kind und Blume behandelt. Da
nun jene waͤrmeren Gegenden die Reize des phyſiſchen Trie-
bes in beiden Geſchlechtern nicht nur fruͤher, ſondern auch leb-
hafter entwickeln: welcher Schritt war naͤher, als daß der
Mann die Vorzuͤge ſeines Geſchlechts gar bald misbrauchte
und ſich einen Garten dieſer voruͤbergehenden Blumen ſamm-
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/190>, abgerufen am 16.02.2025. |