len suchen sie ihren Feind auf und finden ihre Hütten wieder. Die gesitteten Quaranier, erzählt Dobritzhofer, machen mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit alles nach, was man ihnen an feiner künstlicher Arbeit vorlegt; aber nach dem Ge- hör, aus beschreibenden Worten können sie sich wenig denken und nichts erfinden: eine natürliche Folge ihrer Erziehung, in der die Seele nicht durch Worte, sondern durch gegenwär- tige, anschaubare Dinge gebildet wurde, da Wortgelehrte Menschen oft so viel gehört haben, daß sie was vor ihnen ist, nicht mehr zu sehen vermögen. Die Seele des freien Natur- sohnes ist gleichsam zwischen Auge und Ohr getheilet: er kennt mit Genauigkeit die Gegenstände, die er sah: er erzählt mit Genauigkeit die Sagen, die er hörte. Seine Zunge stam- melt nicht, so wie sein Pfeil nicht irret: denn wie sollte seine Seele bei dem, was sie genau sah und hörte, irren und stammeln?
Gute Anlage der Natur für ein Wesen, bei dem die erste Sproße seines Wohlgenußes und Verstandes doch nur aus sinnlichen Empfindungen keimet. Jst unser Körper gesund, sind unsre Sinne geübt und wohlgeordnet: so ist die Grund- lage zu einer Heiterkeit und innern Freude gelegt, deren Ver- lust die speculirende Vernunft mit Mühe kaum zu ersetzen weiß. Das Fundament der sinnlichen Glückseligkeit des Menschen ist allenthalben, daß er da lebe, wo er lebt, daß er
genieße,
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len ſuchen ſie ihren Feind auf und finden ihre Huͤtten wieder. Die geſitteten Quaranier, erzaͤhlt Dobritzhofer, machen mit einer bewundernswuͤrdigen Genauigkeit alles nach, was man ihnen an feiner kuͤnſtlicher Arbeit vorlegt; aber nach dem Ge- hoͤr, aus beſchreibenden Worten koͤnnen ſie ſich wenig denken und nichts erfinden: eine natuͤrliche Folge ihrer Erziehung, in der die Seele nicht durch Worte, ſondern durch gegenwaͤr- tige, anſchaubare Dinge gebildet wurde, da Wortgelehrte Menſchen oft ſo viel gehoͤrt haben, daß ſie was vor ihnen iſt, nicht mehr zu ſehen vermoͤgen. Die Seele des freien Natur- ſohnes iſt gleichſam zwiſchen Auge und Ohr getheilet: er kennt mit Genauigkeit die Gegenſtaͤnde, die er ſah: er erzaͤhlt mit Genauigkeit die Sagen, die er hoͤrte. Seine Zunge ſtam- melt nicht, ſo wie ſein Pfeil nicht irret: denn wie ſollte ſeine Seele bei dem, was ſie genau ſah und hoͤrte, irren und ſtammeln?
Gute Anlage der Natur fuͤr ein Weſen, bei dem die erſte Sproße ſeines Wohlgenußes und Verſtandes doch nur aus ſinnlichen Empfindungen keimet. Jſt unſer Koͤrper geſund, ſind unſre Sinne geuͤbt und wohlgeordnet: ſo iſt die Grund- lage zu einer Heiterkeit und innern Freude gelegt, deren Ver- luſt die ſpeculirende Vernunft mit Muͤhe kaum zu erſetzen weiß. Das Fundament der ſinnlichen Gluͤckſeligkeit des Menſchen iſt allenthalben, daß er da lebe, wo er lebt, daß er
genieße,
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len ſuchen ſie ihren Feind auf und finden ihre Huͤtten wieder.
Die geſitteten Quaranier, erzaͤhlt Dobritzhofer, machen mit
einer bewundernswuͤrdigen Genauigkeit alles nach, was man
ihnen an feiner kuͤnſtlicher Arbeit vorlegt; aber nach dem Ge-
hoͤr, aus beſchreibenden Worten koͤnnen ſie ſich wenig denken
und nichts erfinden: eine natuͤrliche Folge ihrer Erziehung,
in der die Seele nicht durch Worte, ſondern durch gegenwaͤr-
tige, anſchaubare Dinge gebildet wurde, da Wortgelehrte
Menſchen oft ſo viel gehoͤrt haben, daß ſie was vor ihnen iſt,
nicht mehr zu ſehen vermoͤgen. Die Seele des freien Natur-
ſohnes iſt gleichſam zwiſchen Auge und Ohr getheilet: er kennt
mit Genauigkeit die Gegenſtaͤnde, die er ſah: er erzaͤhlt mit
Genauigkeit die Sagen, die er hoͤrte. Seine Zunge ſtam-
melt nicht, ſo wie ſein Pfeil nicht irret: denn wie ſollte ſeine
Seele bei dem, was ſie genau ſah und hoͤrte, irren und ſtammeln?
Gute Anlage der Natur fuͤr ein Weſen, bei dem die erſte
Sproße ſeines Wohlgenußes und Verſtandes doch nur aus
ſinnlichen Empfindungen keimet. Jſt unſer Koͤrper geſund,
ſind unſre Sinne geuͤbt und wohlgeordnet: ſo iſt die Grund-
lage zu einer Heiterkeit und innern Freude gelegt, deren Ver-
luſt die ſpeculirende Vernunft mit Muͤhe kaum zu erſetzen
weiß. Das Fundament der ſinnlichen Gluͤckſeligkeit des
Menſchen iſt allenthalben, daß er da lebe, wo er lebt, daß er
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/151>, abgerufen am 21.11.2024.
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