ren innern Theilen: noch sind die Eingeweide nicht gebildet und das Thier öfnet den Schnabel. Das kleine Gehirn ist außerhalb dem Kopf, das Herz noch außer der Brust, wie ein Spinnengewebe sind Ribben und Beine; bald zeigen sich Flü- gel, Füße, Zehen, Hüften und nun wird das Lebendige weiter genähret. Was blos war, bedecket sich: die Brust, das Hirn schließen sich zu; Magen und Eingeweide hangen noch hinun- ter. Auch diese bilden sich endlich, je mehr die Materie verzehrt wird: die Häute ziehn sich zusammen und hinauf: der Un- terleib schließt sich: das Thier ist bereitet. Es schwimmt jetzt nicht mehr, sondern es liegt: bald wachet, bald schläft es: es regt sich, es schläft, es ruft, es suchet Ausgang und kommt, in allen Theilen ganz und völlig, ans Licht der Welt. Wie wür- de der, der dies Wunder zum erstenmal sähe, es nennen? Da ist, würde er sagen, eine lebendige, organische Kraft; ich weiß nicht, woher sie gekommen? noch was sie in ihrem Jn- nern sei? aber daß sie da sei, daß sie lebe, daß sie organische Theile sich aus dem Chaos einer homogenen Materie zueigne, das sehe ich, das ist unläugbar.
Bemerkte er ferner und sähe, daß jeder dieser organischen Theile gleichsam actu, in eigner Wirkung gebildet werde: das Herz erzeuge sich nicht anders, als durch eine Zusammenströ- mung der Kanäle, die schon vor ihm waren: sobald der Ma-
gen
Jdeen,II.Th. O
ren innern Theilen: noch ſind die Eingeweide nicht gebildet und das Thier oͤfnet den Schnabel. Das kleine Gehirn iſt außerhalb dem Kopf, das Herz noch außer der Bruſt, wie ein Spinnengewebe ſind Ribben und Beine; bald zeigen ſich Fluͤ- gel, Fuͤße, Zehen, Huͤften und nun wird das Lebendige weiter genaͤhret. Was blos war, bedecket ſich: die Bruſt, das Hirn ſchließen ſich zu; Magen und Eingeweide hangen noch hinun- ter. Auch dieſe bilden ſich endlich, je mehr die Materie verzehrt wird: die Haͤute ziehn ſich zuſammen und hinauf: der Un- terleib ſchließt ſich: das Thier iſt bereitet. Es ſchwimmt jetzt nicht mehr, ſondern es liegt: bald wachet, bald ſchlaͤft es: es regt ſich, es ſchlaͤft, es ruft, es ſuchet Ausgang und kommt, in allen Theilen ganz und voͤllig, ans Licht der Welt. Wie wuͤr- de der, der dies Wunder zum erſtenmal ſaͤhe, es nennen? Da iſt, wuͤrde er ſagen, eine lebendige, organiſche Kraft; ich weiß nicht, woher ſie gekommen? noch was ſie in ihrem Jn- nern ſei? aber daß ſie da ſei, daß ſie lebe, daß ſie organiſche Theile ſich aus dem Chaos einer homogenen Materie zueigne, das ſehe ich, das iſt unlaͤugbar.
Bemerkte er ferner und ſaͤhe, daß jeder dieſer organiſchen Theile gleichſam actu, in eigner Wirkung gebildet werde: das Herz erzeuge ſich nicht anders, als durch eine Zuſammenſtroͤ- mung der Kanaͤle, die ſchon vor ihm waren: ſobald der Ma-
gen
Jdeen,II.Th. O
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ren innern Theilen: noch ſind die Eingeweide nicht gebildet
und das Thier oͤfnet den Schnabel. Das kleine Gehirn iſt
außerhalb dem Kopf, das Herz noch außer der Bruſt, wie ein
Spinnengewebe ſind Ribben und Beine; bald zeigen ſich Fluͤ-
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genaͤhret. Was blos war, bedecket ſich: die Bruſt, das Hirn
ſchließen ſich zu; Magen und Eingeweide hangen noch hinun-
ter. Auch dieſe bilden ſich endlich, je mehr die Materie verzehrt
wird: die Haͤute ziehn ſich zuſammen und hinauf: der Un-
terleib ſchließt ſich: das Thier iſt bereitet. Es ſchwimmt jetzt
nicht mehr, ſondern es liegt: bald wachet, bald ſchlaͤft es: es
regt ſich, es ſchlaͤft, es ruft, es ſuchet Ausgang und kommt, in
allen Theilen ganz und voͤllig, ans Licht der Welt. Wie wuͤr-
de der, der dies Wunder zum erſtenmal ſaͤhe, es nennen? Da
iſt, wuͤrde er ſagen, eine lebendige, organiſche Kraft; ich
weiß nicht, woher ſie gekommen? noch was ſie in ihrem Jn-
nern ſei? aber daß ſie da ſei, daß ſie lebe, daß ſie organiſche
Theile ſich aus dem Chaos einer homogenen Materie zueigne,
das ſehe ich, das iſt unlaͤugbar.
Bemerkte er ferner und ſaͤhe, daß jeder dieſer organiſchen
Theile gleichſam actu, in eigner Wirkung gebildet werde: das
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/117>, abgerufen am 27.11.2024.
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