lich geweinet: (woraus man geschlossen, daß er Frau und Kinder haben müsse, denn man konnte nicht mit ihnen spre- chen, noch sie zur Taufe präpariren). Die zween letzten haben zehn bis zwölf Jahr in Dännemark gelebt und sind bei Coldingen zum Perlenfischen gebraucht, aber im Winter so stark angestrengt worden, daß der Eine darüber gestorben, der letzte nochmals entflohen und erst dreißig bis vierzig Mei- len weit vom Lande eingehohlt worden, worauf er ebenfalls aus Betrübniß sein Leben geendet."
Alle Zeugen von menschlicher Empfindung können die verzweifelnde Wehmuth nicht ausdrücken, mit welcher ein erkaufter oder erstohlner Negersklave die Küste seines Vater- landes verläßt, um sie nie wieder zu erblicken in seinem Le- ben. "Man muß genaue Aufsicht haben, sagt Römera), daß die Sklaven weder im Fort noch auf dem Schiff Messer in die Hände bekommen; bei der Ueberfahrt nach Westindien hat man gnug zu thun, sie bei guter Laune zu erhalten. Deßhalb ist man mit Europäischen Leiern versehen: man nimmt auch Trummeln und Pfeifen mit und läßt sie tanzen, versichert sie, daß sie nach einem schönen Lande geführt wer- den, wo sie viel Frauen, gute Speisen erhalten sollen und
der-
a)Römers Nachrichten von der Küste Guinea, S. 279.
lich geweinet: (woraus man geſchloſſen, daß er Frau und Kinder haben muͤſſe, denn man konnte nicht mit ihnen ſpre- chen, noch ſie zur Taufe praͤpariren). Die zween letzten haben zehn bis zwoͤlf Jahr in Daͤnnemark gelebt und ſind bei Coldingen zum Perlenfiſchen gebraucht, aber im Winter ſo ſtark angeſtrengt worden, daß der Eine daruͤber geſtorben, der letzte nochmals entflohen und erſt dreißig bis vierzig Mei- len weit vom Lande eingehohlt worden, worauf er ebenfalls aus Betruͤbniß ſein Leben geendet.“
Alle Zeugen von menſchlicher Empfindung koͤnnen die verzweifelnde Wehmuth nicht ausdruͤcken, mit welcher ein erkaufter oder erſtohlner Negerſklave die Kuͤſte ſeines Vater- landes verlaͤßt, um ſie nie wieder zu erblicken in ſeinem Le- ben. „Man muß genaue Aufſicht haben, ſagt Roͤmera), daß die Sklaven weder im Fort noch auf dem Schiff Meſſer in die Haͤnde bekommen; bei der Ueberfahrt nach Weſtindien hat man gnug zu thun, ſie bei guter Laune zu erhalten. Deßhalb iſt man mit Europaͤiſchen Leiern verſehen: man nimmt auch Trummeln und Pfeifen mit und laͤßt ſie tanzen, verſichert ſie, daß ſie nach einem ſchoͤnen Lande gefuͤhrt wer- den, wo ſie viel Frauen, gute Speiſen erhalten ſollen und
der-
a)Roͤmers Nachrichten von der Kuͤſte Guinea, S. 279.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0100"n="88"/>
lich geweinet: (woraus man geſchloſſen, daß er Frau und<lb/>
Kinder haben muͤſſe, denn man konnte nicht mit ihnen ſpre-<lb/>
chen, noch ſie zur Taufe praͤpariren). Die zween letzten<lb/>
haben zehn bis zwoͤlf Jahr in Daͤnnemark gelebt und ſind<lb/>
bei Coldingen zum Perlenfiſchen gebraucht, aber im Winter<lb/>ſo ſtark angeſtrengt worden, daß der Eine daruͤber geſtorben,<lb/>
der letzte nochmals entflohen und erſt dreißig bis vierzig Mei-<lb/>
len weit vom Lande eingehohlt worden, worauf er ebenfalls<lb/>
aus Betruͤbniß ſein Leben geendet.“</p><lb/><p>Alle Zeugen von menſchlicher Empfindung koͤnnen die<lb/>
verzweifelnde Wehmuth nicht ausdruͤcken, mit welcher ein<lb/>
erkaufter oder erſtohlner Negerſklave die Kuͤſte ſeines Vater-<lb/>
landes verlaͤßt, um ſie nie wieder zu erblicken in ſeinem Le-<lb/>
ben. „Man muß genaue Aufſicht haben, ſagt <hirendition="#fr">Roͤmer</hi><noteplace="foot"n="a)"><hirendition="#fr">Roͤmers</hi> Nachrichten von der Kuͤſte Guinea, S. 279.</note>,<lb/>
daß die Sklaven weder im Fort noch auf dem Schiff Meſſer<lb/>
in die Haͤnde bekommen; bei der Ueberfahrt nach Weſtindien<lb/>
hat man gnug zu thun, ſie bei guter Laune zu erhalten.<lb/>
Deßhalb iſt man mit Europaͤiſchen Leiern verſehen: man<lb/>
nimmt auch Trummeln und Pfeifen mit und laͤßt ſie tanzen,<lb/>
verſichert ſie, daß ſie nach einem ſchoͤnen Lande gefuͤhrt wer-<lb/>
den, wo ſie viel Frauen, gute Speiſen erhalten ſollen und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">der-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[88/0100]
lich geweinet: (woraus man geſchloſſen, daß er Frau und
Kinder haben muͤſſe, denn man konnte nicht mit ihnen ſpre-
chen, noch ſie zur Taufe praͤpariren). Die zween letzten
haben zehn bis zwoͤlf Jahr in Daͤnnemark gelebt und ſind
bei Coldingen zum Perlenfiſchen gebraucht, aber im Winter
ſo ſtark angeſtrengt worden, daß der Eine daruͤber geſtorben,
der letzte nochmals entflohen und erſt dreißig bis vierzig Mei-
len weit vom Lande eingehohlt worden, worauf er ebenfalls
aus Betruͤbniß ſein Leben geendet.“
Alle Zeugen von menſchlicher Empfindung koͤnnen die
verzweifelnde Wehmuth nicht ausdruͤcken, mit welcher ein
erkaufter oder erſtohlner Negerſklave die Kuͤſte ſeines Vater-
landes verlaͤßt, um ſie nie wieder zu erblicken in ſeinem Le-
ben. „Man muß genaue Aufſicht haben, ſagt Roͤmer a),
daß die Sklaven weder im Fort noch auf dem Schiff Meſſer
in die Haͤnde bekommen; bei der Ueberfahrt nach Weſtindien
hat man gnug zu thun, ſie bei guter Laune zu erhalten.
Deßhalb iſt man mit Europaͤiſchen Leiern verſehen: man
nimmt auch Trummeln und Pfeifen mit und laͤßt ſie tanzen,
verſichert ſie, daß ſie nach einem ſchoͤnen Lande gefuͤhrt wer-
den, wo ſie viel Frauen, gute Speiſen erhalten ſollen und
der-
a) Roͤmers Nachrichten von der Kuͤſte Guinea, S. 279.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/100>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.