die Schalengeschöpfe: da in der ganzen Natur die Materie früher, als die organisirte lebendige Form scheinet. Noch eine gewaltigere und reinere Wirkung des Feuers und der Kälte ward zur Krystallisation erfordert, die nicht mehr die Muschelform, in die der Kiesel springt, sondern schon eckigte geometrische Winkel liebet. Auch diese ändern sich nach den Bestandtheilen eines jeden Geschöpfs, bis sie sich in Halbme- tallen und Metallen zuletzt der Pflanzensproßung nähern. Die Chemie, die in den neuen Zeiten so eifrig geübt wird, öfnet dem Liebhaber hier im unterirdischen Reich der Natur eine mannichfaltige zweite Schöpfung; und vielleicht enthält diese nicht blos die Materie, sondern auch die Grund- gesetze und den Schlüssel zu alle dem, was über der Erde ge- bildet worden. Jmmer und überall sehen wir, daß die Na- tur zerstören muß, indem sie wiederaufbauet, daß sie trennen muß, indem sie neu vereinet. Von einfachen Gesetzen, so wie von groben Gestalten schreitet sie ins Zusammengesetzte- re, Künstliche, Feine; und hätten wir einen Sinn, die Urge- stalten und ersten Keime der Dinge zu sehen, so würden wir vielleicht im kleinsten Punkt die Progreßion der ganzen Schöpfung gewahr werden. --
Da indeß Betrachtungen dieser Art hier nicht unser Zweck sind; so lasset uns nur Eins, die überdachte Mischung
be-
H 3
die Schalengeſchoͤpfe: da in der ganzen Natur die Materie fruͤher, als die organiſirte lebendige Form ſcheinet. Noch eine gewaltigere und reinere Wirkung des Feuers und der Kaͤlte ward zur Kryſtalliſation erfordert, die nicht mehr die Muſchelform, in die der Kieſel ſpringt, ſondern ſchon eckigte geometriſche Winkel liebet. Auch dieſe aͤndern ſich nach den Beſtandtheilen eines jeden Geſchoͤpfs, bis ſie ſich in Halbme- tallen und Metallen zuletzt der Pflanzenſproßung naͤhern. Die Chemie, die in den neuen Zeiten ſo eifrig geuͤbt wird, oͤfnet dem Liebhaber hier im unterirdiſchen Reich der Natur eine mannichfaltige zweite Schoͤpfung; und vielleicht enthaͤlt dieſe nicht blos die Materie, ſondern auch die Grund- geſetze und den Schluͤſſel zu alle dem, was uͤber der Erde ge- bildet worden. Jmmer und uͤberall ſehen wir, daß die Na- tur zerſtoͤren muß, indem ſie wiederaufbauet, daß ſie trennen muß, indem ſie neu vereinet. Von einfachen Geſetzen, ſo wie von groben Geſtalten ſchreitet ſie ins Zuſammengeſetzte- re, Kuͤnſtliche, Feine; und haͤtten wir einen Sinn, die Urge- ſtalten und erſten Keime der Dinge zu ſehen, ſo wuͤrden wir vielleicht im kleinſten Punkt die Progreßion der ganzen Schoͤpfung gewahr werden. —
Da indeß Betrachtungen dieſer Art hier nicht unſer Zweck ſind; ſo laſſet uns nur Eins, die uͤberdachte Miſchung
be-
H 3
<TEI><text><body><div><divn="2"><p><pbfacs="#f0083"n="61"/>
die Schalengeſchoͤpfe: da in der ganzen Natur die Materie<lb/>
fruͤher, als die organiſirte lebendige Form ſcheinet. Noch<lb/>
eine gewaltigere und reinere Wirkung des Feuers und der<lb/>
Kaͤlte ward zur Kryſtalliſation erfordert, die nicht mehr die<lb/>
Muſchelform, in die der Kieſel ſpringt, ſondern ſchon eckigte<lb/>
geometriſche Winkel liebet. Auch dieſe aͤndern ſich nach den<lb/>
Beſtandtheilen eines jeden Geſchoͤpfs, bis ſie ſich in Halbme-<lb/>
tallen und Metallen zuletzt der Pflanzenſproßung naͤhern.<lb/>
Die Chemie, die in den neuen Zeiten ſo eifrig geuͤbt wird,<lb/>
oͤfnet dem Liebhaber hier im unterirdiſchen Reich der<lb/>
Natur eine mannichfaltige zweite Schoͤpfung; und vielleicht<lb/>
enthaͤlt dieſe nicht blos die Materie, ſondern auch die Grund-<lb/>
geſetze und den Schluͤſſel zu alle dem, was uͤber der Erde ge-<lb/>
bildet worden. Jmmer und uͤberall ſehen wir, daß die Na-<lb/>
tur zerſtoͤren muß, indem ſie wiederaufbauet, daß ſie trennen<lb/>
muß, indem ſie neu vereinet. Von einfachen Geſetzen, ſo<lb/>
wie von groben Geſtalten ſchreitet ſie ins Zuſammengeſetzte-<lb/>
re, Kuͤnſtliche, Feine; und haͤtten wir einen Sinn, die Urge-<lb/>ſtalten und erſten Keime der Dinge zu ſehen, ſo wuͤrden wir<lb/>
vielleicht im kleinſten Punkt die Progreßion der ganzen<lb/>
Schoͤpfung gewahr werden. —</p><lb/><p>Da indeß Betrachtungen dieſer Art hier nicht unſer<lb/>
Zweck ſind; ſo laſſet uns nur Eins, die uͤberdachte Miſchung<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">be-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[61/0083]
die Schalengeſchoͤpfe: da in der ganzen Natur die Materie
fruͤher, als die organiſirte lebendige Form ſcheinet. Noch
eine gewaltigere und reinere Wirkung des Feuers und der
Kaͤlte ward zur Kryſtalliſation erfordert, die nicht mehr die
Muſchelform, in die der Kieſel ſpringt, ſondern ſchon eckigte
geometriſche Winkel liebet. Auch dieſe aͤndern ſich nach den
Beſtandtheilen eines jeden Geſchoͤpfs, bis ſie ſich in Halbme-
tallen und Metallen zuletzt der Pflanzenſproßung naͤhern.
Die Chemie, die in den neuen Zeiten ſo eifrig geuͤbt wird,
oͤfnet dem Liebhaber hier im unterirdiſchen Reich der
Natur eine mannichfaltige zweite Schoͤpfung; und vielleicht
enthaͤlt dieſe nicht blos die Materie, ſondern auch die Grund-
geſetze und den Schluͤſſel zu alle dem, was uͤber der Erde ge-
bildet worden. Jmmer und uͤberall ſehen wir, daß die Na-
tur zerſtoͤren muß, indem ſie wiederaufbauet, daß ſie trennen
muß, indem ſie neu vereinet. Von einfachen Geſetzen, ſo
wie von groben Geſtalten ſchreitet ſie ins Zuſammengeſetzte-
re, Kuͤnſtliche, Feine; und haͤtten wir einen Sinn, die Urge-
ſtalten und erſten Keime der Dinge zu ſehen, ſo wuͤrden wir
vielleicht im kleinſten Punkt die Progreßion der ganzen
Schoͤpfung gewahr werden. —
Da indeß Betrachtungen dieſer Art hier nicht unſer
Zweck ſind; ſo laſſet uns nur Eins, die uͤberdachte Miſchung
be-
H 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/83>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.