I. Unser Erdball ist eine große Werkstäte zur Orga- nisation sehr verschiedenartiger Wesen.
So sehr uns in den Eingeweiden der Erde alles noch als Chaos, als Trümmer vorkommt, weil wir die erste Con- struction des Ganzen nicht zu übersehen vermögen: so neh- men wir doch, selbst in dem, was uns das Kleinste und Ro- heste dünkt, ein sehr bestimmtes Daseyn, eine Gestaltung und Bildung nach ewigen Gesetzen wahr, die keine Will- kühr der Menschen verändert. Wir bemerken diese Gesetze und Formen; ihre innern Kräfte aber kennen wir nicht und was man in einigen allgemeinen Worten z. E. Zusammen- hang, Ausdehnung, Affinität, Schwere dabei bezeichnet, soll uns nur mit äussern Verhältnissen bekannt machen, ohne uns dem innern Wesen im mindesten näher zu führen.
Was
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I. Unſer Erdball iſt eine große Werkſtaͤte zur Orga- niſation ſehr verſchiedenartiger Weſen.
So ſehr uns in den Eingeweiden der Erde alles noch als Chaos, als Truͤmmer vorkommt, weil wir die erſte Con- ſtruction des Ganzen nicht zu uͤberſehen vermoͤgen: ſo neh- men wir doch, ſelbſt in dem, was uns das Kleinſte und Ro- heſte duͤnkt, ein ſehr beſtimmtes Daſeyn, eine Geſtaltung und Bildung nach ewigen Geſetzen wahr, die keine Will- kuͤhr der Menſchen veraͤndert. Wir bemerken dieſe Geſetze und Formen; ihre innern Kraͤfte aber kennen wir nicht und was man in einigen allgemeinen Worten z. E. Zuſammen- hang, Ausdehnung, Affinitaͤt, Schwere dabei bezeichnet, ſoll uns nur mit aͤuſſern Verhaͤltniſſen bekannt machen, ohne uns dem innern Weſen im mindeſten naͤher zu fuͤhren.
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I.
Unſer Erdball iſt eine große Werkſtaͤte zur Orga-
niſation ſehr verſchiedenartiger Weſen.
So ſehr uns in den Eingeweiden der Erde alles noch als
Chaos, als Truͤmmer vorkommt, weil wir die erſte Con-
ſtruction des Ganzen nicht zu uͤberſehen vermoͤgen: ſo neh-
men wir doch, ſelbſt in dem, was uns das Kleinſte und Ro-
heſte duͤnkt, ein ſehr beſtimmtes Daſeyn, eine Geſtaltung
und Bildung nach ewigen Geſetzen wahr, die keine Will-
kuͤhr der Menſchen veraͤndert. Wir bemerken dieſe Geſetze
und Formen; ihre innern Kraͤfte aber kennen wir nicht und
was man in einigen allgemeinen Worten z. E. Zuſammen-
hang, Ausdehnung, Affinitaͤt, Schwere dabei bezeichnet, ſoll
uns nur mit aͤuſſern Verhaͤltniſſen bekannt machen, ohne uns
dem innern Weſen im mindeſten naͤher zu fuͤhren.
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/81>, abgerufen am 22.11.2024.
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