Vom Himmel muß unsre Philosophie der Geschichte des menschlichen Geschlechts anfangen, wenn sie einiger- maassen diesen Namen verdienen soll. Denn da unser Wohnplatz, die Erde, nichts durch sich selbst ist, sondern von himmlischen, durch unser ganzes Weltall sich erstreckenden Kräften ihre Beschaffenheit und Gestalt, ihr Vermögen zur Organisation und Erhaltung der Geschöpfe empfängt: so muß man sie zuförderst nicht allein und einsam, sondern im Chor der Welten betrachten, unter die sie gesetzt ist. Mit unsichtbaren, ewigen Banden ist sie an ihren Mittelpunkt, die Sonne gebunden, von der sie Licht, Wärme, Leben und Gedeihen erhält. Ohne diese könnten wir uns unser Plane-
ten-
A 2
I. Unſre Erde iſt ein Stern unter Sternen.
Vom Himmel muß unſre Philoſophie der Geſchichte des menſchlichen Geſchlechts anfangen, wenn ſie einiger- maaſſen dieſen Namen verdienen ſoll. Denn da unſer Wohnplatz, die Erde, nichts durch ſich ſelbſt iſt, ſondern von himmliſchen, durch unſer ganzes Weltall ſich erſtreckenden Kraͤften ihre Beſchaffenheit und Geſtalt, ihr Vermoͤgen zur Organiſation und Erhaltung der Geſchoͤpfe empfaͤngt: ſo muß man ſie zufoͤrderſt nicht allein und einſam, ſondern im Chor der Welten betrachten, unter die ſie geſetzt iſt. Mit unſichtbaren, ewigen Banden iſt ſie an ihren Mittelpunkt, die Sonne gebunden, von der ſie Licht, Waͤrme, Leben und Gedeihen erhaͤlt. Ohne dieſe koͤnnten wir uns unſer Plane-
ten-
A 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0025"n="[3]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">I.</hi><lb/>
Unſre Erde iſt ein Stern unter Sternen.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>om Himmel muß unſre Philoſophie der Geſchichte des<lb/>
menſchlichen Geſchlechts anfangen, wenn ſie einiger-<lb/>
maaſſen dieſen Namen verdienen ſoll. Denn da unſer<lb/>
Wohnplatz, die Erde, nichts durch ſich ſelbſt iſt, ſondern von<lb/>
himmliſchen, durch unſer ganzes Weltall ſich erſtreckenden<lb/>
Kraͤften ihre Beſchaffenheit und Geſtalt, ihr Vermoͤgen zur<lb/>
Organiſation und Erhaltung der Geſchoͤpfe empfaͤngt: ſo<lb/>
muß man ſie zufoͤrderſt nicht allein und einſam, ſondern im<lb/>
Chor der Welten betrachten, unter die ſie geſetzt iſt. Mit<lb/>
unſichtbaren, ewigen Banden iſt ſie an ihren Mittelpunkt,<lb/>
die Sonne gebunden, von der ſie Licht, Waͤrme, Leben und<lb/>
Gedeihen erhaͤlt. Ohne dieſe koͤnnten wir uns unſer Plane-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ten-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[3]/0025]
I.
Unſre Erde iſt ein Stern unter Sternen.
Vom Himmel muß unſre Philoſophie der Geſchichte des
menſchlichen Geſchlechts anfangen, wenn ſie einiger-
maaſſen dieſen Namen verdienen ſoll. Denn da unſer
Wohnplatz, die Erde, nichts durch ſich ſelbſt iſt, ſondern von
himmliſchen, durch unſer ganzes Weltall ſich erſtreckenden
Kraͤften ihre Beſchaffenheit und Geſtalt, ihr Vermoͤgen zur
Organiſation und Erhaltung der Geſchoͤpfe empfaͤngt: ſo
muß man ſie zufoͤrderſt nicht allein und einſam, ſondern im
Chor der Welten betrachten, unter die ſie geſetzt iſt. Mit
unſichtbaren, ewigen Banden iſt ſie an ihren Mittelpunkt,
die Sonne gebunden, von der ſie Licht, Waͤrme, Leben und
Gedeihen erhaͤlt. Ohne dieſe koͤnnten wir uns unſer Plane-
ten-
A 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/25>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.