diese gewiß zuerst nachgeahmt: und auf keine Jnstruction ge- wartet. Oder liegts allein an ihren Organen? auch nicht: denn ob sie gleich den Jnhalt der menschlichen Sprache fas- sen, so hat noch kein Affe, da er doch immer gestikuliret, sich ein Vermögen erworben, mit seinem Herrn pantomimisch zu sprechen und durch Geberdungen menschlich zu diskuriren. Also muß es schlechthin an etwas anderm liegen, das dem Traurigen zur Menschenvernunft die Thür schloß und ihm vielleicht das dunkle Gefühl ließ, so nahe zu seyn und nicht hinein zu gehören.
Was war dies Etwas? Es ist sonderbar, daß der Zer- gliederung nach beinahe aller Unterschied an Theilen des Ganges zu liegen scheine. Der Affe ist gebildet, daß er et- wa aufrecht gehen kann und ist dadurch dem Menschen ähn- licher, als seine Brüder; er ist aber nicht ganz dazu gebil- det und dieser Unterschied scheint ihm alles zu rauben. Las- set uns diesen Anblick verfolgen und die Natur selbst wird uns auf die Wege führen, auf denen wir die erste Anlage zur menschlichen Würde zu suchen haben.
Der Orang-Utang *) hat lange Arme, große Hände, kurze Schenkel, große Füße mit langen Zehen; der Daum
dene
seiner
*) S. CampersKort Berigt wegens de Ontlediug van verschie-
dieſe gewiß zuerſt nachgeahmt: und auf keine Jnſtruction ge- wartet. Oder liegts allein an ihren Organen? auch nicht: denn ob ſie gleich den Jnhalt der menſchlichen Sprache faſ- ſen, ſo hat noch kein Affe, da er doch immer geſtikuliret, ſich ein Vermoͤgen erworben, mit ſeinem Herrn pantomimiſch zu ſprechen und durch Geberdungen menſchlich zu diskuriren. Alſo muß es ſchlechthin an etwas anderm liegen, das dem Traurigen zur Menſchenvernunft die Thuͤr ſchloß und ihm vielleicht das dunkle Gefuͤhl ließ, ſo nahe zu ſeyn und nicht hinein zu gehoͤren.
Was war dies Etwas? Es iſt ſonderbar, daß der Zer- gliederung nach beinahe aller Unterſchied an Theilen des Ganges zu liegen ſcheine. Der Affe iſt gebildet, daß er et- wa aufrecht gehen kann und iſt dadurch dem Menſchen aͤhn- licher, als ſeine Bruͤder; er iſt aber nicht ganz dazu gebil- det und dieſer Unterſchied ſcheint ihm alles zu rauben. Laſ- ſet uns dieſen Anblick verfolgen und die Natur ſelbſt wird uns auf die Wege fuͤhren, auf denen wir die erſte Anlage zur menſchlichen Wuͤrde zu ſuchen haben.
Der Orang-Utang *) hat lange Arme, große Haͤnde, kurze Schenkel, große Fuͤße mit langen Zehen; der Daum
dene
ſeiner
*) S. CampersKort Berigt wegens de Ontlediug van verſchie-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="186[166]"/>
dieſe gewiß zuerſt nachgeahmt: und auf keine Jnſtruction ge-<lb/>
wartet. Oder liegts allein an ihren Organen? auch nicht:<lb/>
denn ob ſie gleich den Jnhalt der menſchlichen Sprache faſ-<lb/>ſen, ſo hat noch kein Affe, da er doch immer geſtikuliret, ſich<lb/>
ein Vermoͤgen erworben, mit ſeinem Herrn pantomimiſch zu<lb/>ſprechen und durch Geberdungen menſchlich zu diskuriren.<lb/>
Alſo muß es ſchlechthin an etwas anderm liegen, das dem<lb/>
Traurigen zur Menſchenvernunft die Thuͤr ſchloß und ihm<lb/>
vielleicht das dunkle Gefuͤhl ließ, ſo nahe zu ſeyn und nicht<lb/>
hinein zu gehoͤren.</p><lb/><p>Was war dies Etwas? Es iſt ſonderbar, daß der Zer-<lb/>
gliederung nach beinahe aller Unterſchied an <hirendition="#fr">Theilen des<lb/>
Ganges</hi> zu liegen ſcheine. Der Affe iſt gebildet, daß er et-<lb/>
wa aufrecht gehen kann und iſt dadurch dem Menſchen aͤhn-<lb/>
licher, als ſeine Bruͤder; er iſt aber nicht ganz dazu gebil-<lb/>
det und dieſer Unterſchied ſcheint ihm alles zu rauben. Laſ-<lb/>ſet uns dieſen Anblick verfolgen und die Natur ſelbſt wird<lb/>
uns auf die Wege fuͤhren, auf denen wir die erſte Anlage<lb/>
zur menſchlichen Wuͤrde zu ſuchen haben.</p><lb/><p>Der Orang-Utang <notexml:id="seg2pn_3_1"next="#seg2pn_3_2"place="foot"n="*)">S. <hirendition="#fr">Campers</hi><hirendition="#aq">Kort Berigt wegens de Ontlediug van verſchie-</hi></note><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">dene</hi></fw> hat lange Arme, große Haͤnde,<lb/>
kurze Schenkel, große Fuͤße mit langen Zehen; der Daum<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſeiner</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186[166]/0188]
dieſe gewiß zuerſt nachgeahmt: und auf keine Jnſtruction ge-
wartet. Oder liegts allein an ihren Organen? auch nicht:
denn ob ſie gleich den Jnhalt der menſchlichen Sprache faſ-
ſen, ſo hat noch kein Affe, da er doch immer geſtikuliret, ſich
ein Vermoͤgen erworben, mit ſeinem Herrn pantomimiſch zu
ſprechen und durch Geberdungen menſchlich zu diskuriren.
Alſo muß es ſchlechthin an etwas anderm liegen, das dem
Traurigen zur Menſchenvernunft die Thuͤr ſchloß und ihm
vielleicht das dunkle Gefuͤhl ließ, ſo nahe zu ſeyn und nicht
hinein zu gehoͤren.
Was war dies Etwas? Es iſt ſonderbar, daß der Zer-
gliederung nach beinahe aller Unterſchied an Theilen des
Ganges zu liegen ſcheine. Der Affe iſt gebildet, daß er et-
wa aufrecht gehen kann und iſt dadurch dem Menſchen aͤhn-
licher, als ſeine Bruͤder; er iſt aber nicht ganz dazu gebil-
det und dieſer Unterſchied ſcheint ihm alles zu rauben. Laſ-
ſet uns dieſen Anblick verfolgen und die Natur ſelbſt wird
uns auf die Wege fuͤhren, auf denen wir die erſte Anlage
zur menſchlichen Wuͤrde zu ſuchen haben.
Der Orang-Utang *)
dene hat lange Arme, große Haͤnde,
kurze Schenkel, große Fuͤße mit langen Zehen; der Daum
ſeiner
*) S. Campers Kort Berigt wegens de Ontlediug van verſchie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 186[166]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/188>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.