durch Fibern, Muskeln und Nerven zu dem Wesen zu ver- arbeiten, das keine niedrigere Organisation erarbeiten kann. Es wächst bis zu den Jahren, da es im Ueberfluß seiner Le- benswärme sich fortzubilden, zu vervielfältigen strebt, und der organische Lebenszirkel also von neuem anfängt -- --
So ging die Natur bei den Geschöpfen zu Werk, die sie Lebendige gebähren lassen konnte; nicht aber alle konnten dies. Die Thiere kälteren Blutes nicht; ihnen muß also die Sonne zu Hülfe kommen und ihre Mitmutter werden. Sie brütet das Ungebohrne hervor: ein klarer Beweis daß alle organische Wärme in der Schöpfung Eins sei, nur durch zahllose Kanäle feiner und feiner hinaufgeläutert. Selbst die Vögel, die wärmeren Blutes sind, als die Erdenthiere, konnten, vielleicht theils ihres kältern Elements, theils ih- rer Lebensart und ganzen Bestimmung wegen, nicht Leben- dige gebähren. Die Natur verschonte diese leichten flüchti- gen Geschöpfe, ihre Jungen bis zur lebendigen Geburt zu tragen, wie sie sie auch mit der Mühe des Säugens verschon- te. Sabald der Vogel aber, wenn auch nur in einer häßli- chen Mittelgattung, die Erde betritt, säugt er. Sobald das Meerthier warmes Blut und Organisation gnug hat, ein Le- bendiges zu gebähren, ward ihm auch die Mühe aufgelegt, es zu säugen.
Wie
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durch Fibern, Muskeln und Nerven zu dem Weſen zu ver- arbeiten, das keine niedrigere Organiſation erarbeiten kann. Es waͤchſt bis zu den Jahren, da es im Ueberfluß ſeiner Le- benswaͤrme ſich fortzubilden, zu vervielfaͤltigen ſtrebt, und der organiſche Lebenszirkel alſo von neuem anfaͤngt — —
So ging die Natur bei den Geſchoͤpfen zu Werk, die ſie Lebendige gebaͤhren laſſen konnte; nicht aber alle konnten dies. Die Thiere kaͤlteren Blutes nicht; ihnen muß alſo die Sonne zu Huͤlfe kommen und ihre Mitmutter werden. Sie bruͤtet das Ungebohrne hervor: ein klarer Beweis daß alle organiſche Waͤrme in der Schoͤpfung Eins ſei, nur durch zahlloſe Kanaͤle feiner und feiner hinaufgelaͤutert. Selbſt die Voͤgel, die waͤrmeren Blutes ſind, als die Erdenthiere, konnten, vielleicht theils ihres kaͤltern Elements, theils ih- rer Lebensart und ganzen Beſtimmung wegen, nicht Leben- dige gebaͤhren. Die Natur verſchonte dieſe leichten fluͤchti- gen Geſchoͤpfe, ihre Jungen bis zur lebendigen Geburt zu tragen, wie ſie ſie auch mit der Muͤhe des Saͤugens verſchon- te. Sabald der Vogel aber, wenn auch nur in einer haͤßli- chen Mittelgattung, die Erde betritt, ſaͤugt er. Sobald das Meerthier warmes Blut und Organiſation gnug hat, ein Le- bendiges zu gebaͤhren, ward ihm auch die Muͤhe aufgelegt, es zu ſaͤugen.
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durch Fibern, Muskeln und Nerven zu dem Weſen zu ver-
arbeiten, das keine niedrigere Organiſation erarbeiten kann.
Es waͤchſt bis zu den Jahren, da es im Ueberfluß ſeiner Le-
benswaͤrme ſich fortzubilden, zu vervielfaͤltigen ſtrebt, und
der organiſche Lebenszirkel alſo von neuem anfaͤngt — —
So ging die Natur bei den Geſchoͤpfen zu Werk, die
ſie Lebendige gebaͤhren laſſen konnte; nicht aber alle konnten
dies. Die Thiere kaͤlteren Blutes nicht; ihnen muß alſo
die Sonne zu Huͤlfe kommen und ihre Mitmutter werden.
Sie bruͤtet das Ungebohrne hervor: ein klarer Beweis daß
alle organiſche Waͤrme in der Schoͤpfung Eins ſei, nur durch
zahlloſe Kanaͤle feiner und feiner hinaufgelaͤutert. Selbſt
die Voͤgel, die waͤrmeren Blutes ſind, als die Erdenthiere,
konnten, vielleicht theils ihres kaͤltern Elements, theils ih-
rer Lebensart und ganzen Beſtimmung wegen, nicht Leben-
dige gebaͤhren. Die Natur verſchonte dieſe leichten fluͤchti-
gen Geſchoͤpfe, ihre Jungen bis zur lebendigen Geburt zu
tragen, wie ſie ſie auch mit der Muͤhe des Saͤugens verſchon-
te. Sabald der Vogel aber, wenn auch nur in einer haͤßli-
chen Mittelgattung, die Erde betritt, ſaͤugt er. Sobald das
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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