in Schweden die amerikanische Tag- und Nachtzeit. Er schlief von Mitternacht bis zu Mittag und spazierte vom Mit- tage bis zu Mitternacht, als ob es sein amerikanischer Tag wäre; mit seinen übrigen Jnstinkten erhielt er sich auch sei- nes Vaterlandes Zeitmaas. Sollte diese Bemerkung nicht mehrerer aus andern Strichen der Erde, aus der öst- und südlichen Halbsphäre werth seyn? und wenn diese Verschie- denheit von Thieren gilt, sollte das Menschengeschlecht, sei- nem eigenthümlichen Charakter unbeschadet, ganz leer davon ausgehn?
IV. Der Mensch ist ein Mittelgeschöpf unter den Thieren der Erde.
1. Als Linneus die Arten der säugenden Thiere auf 230 brachte, unter denen er schon die säugenden Wasserthiere mit begrif, zählte er der Vögel 946, der Amphibien 292, der Fische 404, der Jnsekten 3060, der Gewürme 1205 Arten; offenbar also waren die Landthiere die mindesten und die Am-
phibien,
in Schweden die amerikaniſche Tag- und Nachtzeit. Er ſchlief von Mitternacht bis zu Mittag und ſpazierte vom Mit- tage bis zu Mitternacht, als ob es ſein amerikaniſcher Tag waͤre; mit ſeinen uͤbrigen Jnſtinkten erhielt er ſich auch ſei- nes Vaterlandes Zeitmaas. Sollte dieſe Bemerkung nicht mehrerer aus andern Strichen der Erde, aus der oͤſt- und ſuͤdlichen Halbſphaͤre werth ſeyn? und wenn dieſe Verſchie- denheit von Thieren gilt, ſollte das Menſchengeſchlecht, ſei- nem eigenthuͤmlichen Charakter unbeſchadet, ganz leer davon ausgehn?
IV. Der Menſch iſt ein Mittelgeſchoͤpf unter den Thieren der Erde.
1. Als Linneus die Arten der ſaͤugenden Thiere auf 230 brachte, unter denen er ſchon die ſaͤugenden Waſſerthiere mit begrif, zaͤhlte er der Voͤgel 946, der Amphibien 292, der Fiſche 404, der Jnſekten 3060, der Gewuͤrme 1205 Arten; offenbar alſo waren die Landthiere die mindeſten und die Am-
phibien,
<TEI><text><body><div><divn="2"><p><pbfacs="#f0109"n="87"/>
in Schweden die amerikaniſche Tag- und Nachtzeit. Er<lb/>ſchlief von Mitternacht bis zu Mittag und <choice><sic>ſpaierte</sic><corr>ſpazierte</corr></choice> vom Mit-<lb/>
tage bis zu Mitternacht, als ob es ſein amerikaniſcher Tag<lb/>
waͤre; mit ſeinen uͤbrigen Jnſtinkten erhielt er ſich auch ſei-<lb/>
nes Vaterlandes Zeitmaas. Sollte dieſe Bemerkung nicht<lb/>
mehrerer aus andern Strichen der Erde, aus der oͤſt- und<lb/>ſuͤdlichen Halbſphaͤre werth ſeyn? und wenn dieſe Verſchie-<lb/>
denheit von Thieren gilt, ſollte das Menſchengeſchlecht, ſei-<lb/>
nem eigenthuͤmlichen Charakter unbeſchadet, ganz leer davon<lb/>
ausgehn?</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Der Menſch iſt ein Mittelgeſchoͤpf unter den<lb/>
Thieren der Erde.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#c">1.</hi><lb/><hirendition="#in">A</hi>ls Linneus die Arten der ſaͤugenden Thiere auf 230<lb/>
brachte, unter denen er ſchon die ſaͤugenden Waſſerthiere mit<lb/>
begrif, zaͤhlte er der Voͤgel 946, der Amphibien 292, der<lb/>
Fiſche 404, der Jnſekten 3060, der Gewuͤrme 1205 Arten;<lb/>
offenbar alſo waren die Landthiere die mindeſten und die Am-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">phibien,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[87/0109]
in Schweden die amerikaniſche Tag- und Nachtzeit. Er
ſchlief von Mitternacht bis zu Mittag und ſpazierte vom Mit-
tage bis zu Mitternacht, als ob es ſein amerikaniſcher Tag
waͤre; mit ſeinen uͤbrigen Jnſtinkten erhielt er ſich auch ſei-
nes Vaterlandes Zeitmaas. Sollte dieſe Bemerkung nicht
mehrerer aus andern Strichen der Erde, aus der oͤſt- und
ſuͤdlichen Halbſphaͤre werth ſeyn? und wenn dieſe Verſchie-
denheit von Thieren gilt, ſollte das Menſchengeſchlecht, ſei-
nem eigenthuͤmlichen Charakter unbeſchadet, ganz leer davon
ausgehn?
IV.
Der Menſch iſt ein Mittelgeſchoͤpf unter den
Thieren der Erde.
1.
Als Linneus die Arten der ſaͤugenden Thiere auf 230
brachte, unter denen er ſchon die ſaͤugenden Waſſerthiere mit
begrif, zaͤhlte er der Voͤgel 946, der Amphibien 292, der
Fiſche 404, der Jnſekten 3060, der Gewuͤrme 1205 Arten;
offenbar alſo waren die Landthiere die mindeſten und die Am-
phibien,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/109>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.