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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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sichtig, daß sie sie beschwerten, ohne vorher
zu befestigen und hinreichend zu sichern. Die
römischen Architekten waren hingegen in diesem
Stücke ungemein besorgt. Nach dem Vitruv
müssen die Säulen der Winkel und Seiten
eines Tempels also eingerichtet werden, daß
sie inwendig, nach der Mauer der Tempelcelle
zu, bleyrecht stehn, und sich nur von aussen
oberwärts einziehen. Philander sagt, die
nur von aussen angebrachte Einziehung der
Säulen aufwärts nach dem Knaufe zu, könne,
besonders wenn es darauf ankomme, einen
Seitendruck zu unterstützen, in der Ausübung
von grossen Nutzen seyn, ob sie gleich vielleicht
dem Auge mißfallen möge. Hierinnen waren
auch St. Gallo und die besten Baukünstler
seiner Zeit mit ihm einerley Meinung. Pal-
ladio führt an, die Säulen im antiken Tem-
pel zu Tivoli, der nach der gemeinen Meinung
der Vesta gewidmet gewesen, haben diese Ei-
genschaft gehabt. Beym Tambur der Kup-
pel der Peterskirche, welchen Buonarotti
angegeben hat, scheint eben diese Regel zum
Grunde zu liegen.

Mit diesen so einfachen Kautelen waaten's
daher die alten Baukünstler ihre Gewölbe
aufzuführen. Das Gewölbe des Pantheons
war in der Mitte offen, die übrigen Tempel
mit runden und geschlossenen Dächern hatten

im
K

ſichtig, daß ſie ſie beſchwerten, ohne vorher
zu befeſtigen und hinreichend zu ſichern. Die
roͤmiſchen Architekten waren hingegen in dieſem
Stuͤcke ungemein beſorgt. Nach dem Vitruv
muͤſſen die Saͤulen der Winkel und Seiten
eines Tempels alſo eingerichtet werden, daß
ſie inwendig, nach der Mauer der Tempelcelle
zu, bleyrecht ſtehn, und ſich nur von auſſen
oberwaͤrts einziehen. Philander ſagt, die
nur von auſſen angebrachte Einziehung der
Saͤulen aufwaͤrts nach dem Knaufe zu, koͤnne,
beſonders wenn es darauf ankomme, einen
Seitendruck zu unterſtuͤtzen, in der Ausuͤbung
von groſſen Nutzen ſeyn, ob ſie gleich vielleicht
dem Auge mißfallen moͤge. Hierinnen waren
auch St. Gallo und die beſten Baukuͤnſtler
ſeiner Zeit mit ihm einerley Meinung. Pal-
ladio fuͤhrt an, die Saͤulen im antiken Tem-
pel zu Tivoli, der nach der gemeinen Meinung
der Veſta gewidmet geweſen, haben dieſe Ei-
genſchaft gehabt. Beym Tambur der Kup-
pel der Peterskirche, welchen Buonarotti
angegeben hat, ſcheint eben dieſe Regel zum
Grunde zu liegen.

Mit dieſen ſo einfachen Kautelen waaten’s
daher die alten Baukuͤnſtler ihre Gewoͤlbe
aufzufuͤhren. Das Gewoͤlbe des Pantheons
war in der Mitte offen, die uͤbrigen Tempel
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[145/0149] ſichtig, daß ſie ſie beſchwerten, ohne vorher zu befeſtigen und hinreichend zu ſichern. Die roͤmiſchen Architekten waren hingegen in dieſem Stuͤcke ungemein beſorgt. Nach dem Vitruv muͤſſen die Saͤulen der Winkel und Seiten eines Tempels alſo eingerichtet werden, daß ſie inwendig, nach der Mauer der Tempelcelle zu, bleyrecht ſtehn, und ſich nur von auſſen oberwaͤrts einziehen. Philander ſagt, die nur von auſſen angebrachte Einziehung der Saͤulen aufwaͤrts nach dem Knaufe zu, koͤnne, beſonders wenn es darauf ankomme, einen Seitendruck zu unterſtuͤtzen, in der Ausuͤbung von groſſen Nutzen ſeyn, ob ſie gleich vielleicht dem Auge mißfallen moͤge. Hierinnen waren auch St. Gallo und die beſten Baukuͤnſtler ſeiner Zeit mit ihm einerley Meinung. Pal- ladio fuͤhrt an, die Saͤulen im antiken Tem- pel zu Tivoli, der nach der gemeinen Meinung der Veſta gewidmet geweſen, haben dieſe Ei- genſchaft gehabt. Beym Tambur der Kup- pel der Peterskirche, welchen Buonarotti angegeben hat, ſcheint eben dieſe Regel zum Grunde zu liegen. Mit dieſen ſo einfachen Kautelen waaten’s daher die alten Baukuͤnſtler ihre Gewoͤlbe aufzufuͤhren. Das Gewoͤlbe des Pantheons war in der Mitte offen, die uͤbrigen Tempel mit runden und geſchloſſenen Daͤchern hatten im K

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/149>, abgerufen am 09.11.2024.