Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.gedrechselten, bunten, Puppen- und Bilder- Mit welcher unerwarteten Empfindung letzt,
gedrechſelten, bunten, Puppen- und Bilder- Mit welcher unerwarteten Empfindung letzt,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0132" n="128"/> gedrechſelten, bunten, Puppen- und Bilder-<lb/> werk an, womit unſre buͤrgerliche Edelleute<lb/> ihre Haͤuſer ſchmuͤcken, bis zu den ernſten<lb/> Reſten der aͤlteren deutſchen Baukunſt, uͤber<lb/> die ich, auf Anlaß einiger abentheuerlichen<lb/> Schnoͤrkel, in den allgemeinen Geſang ſtimm-<lb/> te: „Ganz von Zierrath erdruͤckt!„ und ſo<lb/> graute mirs im Gehen vorm Anblick eines<lb/> mißgeformten krausborſtigen Ungeheuers.</p><lb/> <p>Mit welcher unerwarteten Empfindung<lb/> uͤberraſchte mich der Anblick, als ich davor<lb/> trat. Ein, ganzer, groſſer Eindruck fuͤllte<lb/> meine Seele, den, weil er aus tauſend harmo-<lb/> nirenden Einzelnheiten beſtand, ich wohl<lb/> ſchmecken und genieſſen, keineswegs aber er-<lb/> kennen und erklaͤren konnte. Sie ſagen, daß<lb/> es alſo mit den Freuden des Himmels ſey,<lb/> und wie oft bin ich zuruͤckgekehrt, dieſe himm-<lb/> liſch-irrdiſche Freude zu genieſſen, den Rie-<lb/> ſengeiſt unſrer aͤltern Bruͤder, in ihren Wer-<lb/> ken zu umfaſſen. Wie oft bin ich zuruͤckge-<lb/> kehrt, von allen Seiten, aus allen Entfer-<lb/> nungen in jedem Lichte des Tags, zu ſchauen<lb/> ſeine Wuͤrde und Herrlichkeit. Schwer iſt’s<lb/> dem Menſchengeiſt, wenn ſeines Bruders<lb/> Werk ſo hoch erhaben iſt, daß er nur beugen,<lb/> und anbeten muß. Wie oft hat die Abend-<lb/> daͤmmerung mein durch forſchendes Schauen<lb/> ermattetes Aug, mit freundlicher Ruhe ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">letzt,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0132]
gedrechſelten, bunten, Puppen- und Bilder-
werk an, womit unſre buͤrgerliche Edelleute
ihre Haͤuſer ſchmuͤcken, bis zu den ernſten
Reſten der aͤlteren deutſchen Baukunſt, uͤber
die ich, auf Anlaß einiger abentheuerlichen
Schnoͤrkel, in den allgemeinen Geſang ſtimm-
te: „Ganz von Zierrath erdruͤckt!„ und ſo
graute mirs im Gehen vorm Anblick eines
mißgeformten krausborſtigen Ungeheuers.
Mit welcher unerwarteten Empfindung
uͤberraſchte mich der Anblick, als ich davor
trat. Ein, ganzer, groſſer Eindruck fuͤllte
meine Seele, den, weil er aus tauſend harmo-
nirenden Einzelnheiten beſtand, ich wohl
ſchmecken und genieſſen, keineswegs aber er-
kennen und erklaͤren konnte. Sie ſagen, daß
es alſo mit den Freuden des Himmels ſey,
und wie oft bin ich zuruͤckgekehrt, dieſe himm-
liſch-irrdiſche Freude zu genieſſen, den Rie-
ſengeiſt unſrer aͤltern Bruͤder, in ihren Wer-
ken zu umfaſſen. Wie oft bin ich zuruͤckge-
kehrt, von allen Seiten, aus allen Entfer-
nungen in jedem Lichte des Tags, zu ſchauen
ſeine Wuͤrde und Herrlichkeit. Schwer iſt’s
dem Menſchengeiſt, wenn ſeines Bruders
Werk ſo hoch erhaben iſt, daß er nur beugen,
und anbeten muß. Wie oft hat die Abend-
daͤmmerung mein durch forſchendes Schauen
ermattetes Aug, mit freundlicher Ruhe ge-
letzt,
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