Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

[Abbildung]
Erster Abschnitt.


Schon als Thier, hat der Mensch
Sprache.
Alle heftigen und die hef-
tigsten unter den heftigen, die schmerzhaften Em-
pfindungen seines Körpers, alle starke Leidenschaf-
ten seiner Seele äußern sich unmittelbar in Ge-
schrei, in Töne, in wilde, unartikulirte Laute.
Ein leidendes Thier sowohl, als der Held Philok-
tet, wenn es der Schmerz anfället, wird wim-
mern! wird ächzen! und wäre es gleich verlassen,
auf einer wüsten Jnsel, ohne Anblick, Spur und
Hoffnung eines hülfreichen Nebengeschöpfes --
Es ist, als obs freier athmete, indem es dem bren-
nenden, geängstigten Hauche Lust giebt: es ist,
als obs einen Theil seines Schmerzes verseufzte,

und
A 2

[Abbildung]
Erſter Abſchnitt.


Schon als Thier, hat der Menſch
Sprache.
Alle heftigen und die hef-
tigſten unter den heftigen, die ſchmerzhaften Em-
pfindungen ſeines Koͤrpers, alle ſtarke Leidenſchaf-
ten ſeiner Seele aͤußern ſich unmittelbar in Ge-
ſchrei, in Toͤne, in wilde, unartikulirte Laute.
Ein leidendes Thier ſowohl, als der Held Philok-
tet, wenn es der Schmerz anfaͤllet, wird wim-
mern! wird aͤchzen! und waͤre es gleich verlaſſen,
auf einer wuͤſten Jnſel, ohne Anblick, Spur und
Hoffnung eines huͤlfreichen Nebengeſchoͤpfes —
Es iſt, als obs freier athmete, indem es dem bren-
nenden, geaͤngſtigten Hauche Luſt giebt: es iſt,
als obs einen Theil ſeines Schmerzes verſeufzte,

und
A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0009" n="[3]"/>
        <figure/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chnitt.</hi> </hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi><hi rendition="#fr">chon als Thier, hat der Men&#x017F;ch<lb/>
Sprache.</hi> Alle heftigen und die hef-<lb/>
tig&#x017F;ten unter den heftigen, die &#x017F;chmerzhaften Em-<lb/>
pfindungen &#x017F;eines Ko&#x0364;rpers, alle &#x017F;tarke Leiden&#x017F;chaf-<lb/>
ten &#x017F;einer Seele a&#x0364;ußern &#x017F;ich unmittelbar in Ge-<lb/>
&#x017F;chrei, in To&#x0364;ne, in wilde, unartikulirte Laute.<lb/>
Ein leidendes Thier &#x017F;owohl, als der Held Philok-<lb/>
tet, wenn es der Schmerz anfa&#x0364;llet, wird wim-<lb/>
mern! wird a&#x0364;chzen! und wa&#x0364;re es gleich verla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
auf einer wu&#x0364;&#x017F;ten Jn&#x017F;el, ohne Anblick, Spur und<lb/>
Hoffnung eines hu&#x0364;lfreichen Nebenge&#x017F;cho&#x0364;pfes &#x2014;<lb/>
Es i&#x017F;t, als obs freier athmete, indem es dem bren-<lb/>
nenden, gea&#x0364;ng&#x017F;tigten Hauche Lu&#x017F;t giebt: es i&#x017F;t,<lb/>
als obs einen Theil &#x017F;eines Schmerzes ver&#x017F;eufzte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0009] [Abbildung] Erſter Abſchnitt. Schon als Thier, hat der Menſch Sprache. Alle heftigen und die hef- tigſten unter den heftigen, die ſchmerzhaften Em- pfindungen ſeines Koͤrpers, alle ſtarke Leidenſchaf- ten ſeiner Seele aͤußern ſich unmittelbar in Ge- ſchrei, in Toͤne, in wilde, unartikulirte Laute. Ein leidendes Thier ſowohl, als der Held Philok- tet, wenn es der Schmerz anfaͤllet, wird wim- mern! wird aͤchzen! und waͤre es gleich verlaſſen, auf einer wuͤſten Jnſel, ohne Anblick, Spur und Hoffnung eines huͤlfreichen Nebengeſchoͤpfes — Es iſt, als obs freier athmete, indem es dem bren- nenden, geaͤngſtigten Hauche Luſt giebt: es iſt, als obs einen Theil ſeines Schmerzes verſeufzte, und A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/9
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/9>, abgerufen am 21.11.2024.