Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Fühl sich in die Form des Urtheils bringen und wissen-
schaftlich behandeln laßt; ein unendlicher Vorzug in prakti-
scher Hinsicht. *)

Anmerkung. Wenn in dem Schönen die Größe
vorwiegt, so entsteht das Erhabene. Dies ist eine ächte
Species des Schönen, weil die Größenverhältnisse selbst
zu den Elementen des Schönen gehören. Aber vergebens
sucht man die Definition für das Lächerliche. Dies hat
seinen Ursprung in der Möglichkeit des Lachens, derglei-
chen sich ohne einen menschlichen Leib und dessen organi-
sche Lebens-Gefühle nicht denken läßt. Das reinste Komi-
sche würde sich für einen reinen Geist in einen bloßen Con-
trast auflösen. Das Lachen gehört zu den Affecten; wie
diese, erschüttert es den Leib, Und durch diesen rückwärts
wiederum den Geist; wie sie, ist es eine kurz dauernde Ge-
müthslage, zu der man nach Launen sich bereit findet oder
nicht. Außerdem ist das Lächerliche ein Beyspiel dessen,
was stark gefühlt wird, ohne daß die Annehmlichkeit oder
Unannehmlichkeit ein Charakter desselben wäre. Bekanntlich
giebt es ein fröhliches und ein bitteres Lachen, und zwischen
beyden eine gewisse Gleichgültigkeit gegen das Lächerliche,
wie bey dem Komiker, dem es eine ernste Angelegenheit ist,
Anderer Lachen zu erregen.

B. Von solchen Gefühlen, welche von der Ge-
müthslage abhängen.

101. Bey der vorstehenden ersten Klasse kann man
mit Recht sagen: das Gefühl ist der Ursprung und (wenig-
stens zum Theil) der Erklärungsgrund der entsprechenden Be-
gierde und Verabscheuung. Hingegen bey der jetzt folgen-

*) Zu vergleichen ist des Nfs. allgemeine praktische Philosophie,
insbesondere die ganze Einleitung.

Fühl sich in die Form des Urtheils bringen und wissen-
schaftlich behandeln laßt; ein unendlicher Vorzug in prakti-
scher Hinsicht. *)

Anmerkung. Wenn in dem Schönen die Größe
vorwiegt, so entsteht das Erhabene. Dies ist eine ächte
Species des Schönen, weil die Größenverhältnisse selbst
zu den Elementen des Schönen gehören. Aber vergebens
sucht man die Definition für das Lächerliche. Dies hat
seinen Ursprung in der Möglichkeit des Lachens, derglei-
chen sich ohne einen menschlichen Leib und dessen organi-
sche Lebens-Gefühle nicht denken läßt. Das reinste Komi-
sche würde sich für einen reinen Geist in einen bloßen Con-
trast auflösen. Das Lachen gehört zu den Affecten; wie
diese, erschüttert es den Leib, Und durch diesen rückwärts
wiederum den Geist; wie sie, ist es eine kurz dauernde Ge-
müthslage, zu der man nach Launen sich bereit findet oder
nicht. Außerdem ist das Lächerliche ein Beyspiel dessen,
was stark gefühlt wird, ohne daß die Annehmlichkeit oder
Unannehmlichkeit ein Charakter desselben wäre. Bekanntlich
giebt es ein fröhliches und ein bitteres Lachen, und zwischen
beyden eine gewisse Gleichgültigkeit gegen das Lächerliche,
wie bey dem Komiker, dem es eine ernste Angelegenheit ist,
Anderer Lachen zu erregen.

B. Von solchen Gefühlen, welche von der Ge-
müthslage abhängen.

101. Bey der vorstehenden ersten Klasse kann man
mit Recht sagen: das Gefühl ist der Ursprung und (wenig-
stens zum Theil) der Erklärungsgrund der entsprechenden Be-
gierde und Verabscheuung. Hingegen bey der jetzt folgen-

*) Zu vergleichen ist des Nfs. allgemeine praktische Philosophie,
insbesondere die ganze Einleitung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0087" n="79"/>
Fühl sich in die Form des Urtheils bringen und wissen-<lb/>
schaftlich behandeln laßt; ein unendlicher Vorzug in prakti-<lb/>
scher Hinsicht.
                 <note place="foot" n="*)">Zu vergleichen ist des Nfs. allgemeine praktische
                 Philosophie,<lb/>
insbesondere die ganze Einleitung.</note><lb/></p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Wenn in dem Schönen die Größe<lb/>
vorwiegt, so
               entsteht das <hi rendition="#g">Erhabene</hi>. Dies ist eine ächte<lb/><hi rendition="#g">Species</hi> des <hi rendition="#g">Schönen</hi>, weil die
               Größenverhältnisse selbst<lb/>
zu den Elementen des Schönen gehören. Aber vergebens<lb/>
sucht man die Definition für das <hi rendition="#g">Lächerliche</hi>. Dies hat<lb/>
seinen Ursprung in der Möglichkeit des Lachens, derglei-<lb/>
chen sich ohne
               einen menschlichen Leib und dessen organi-<lb/>
sche Lebens-Gefühle nicht denken läßt.
               Das reinste Komi-<lb/>
sche würde sich für einen reinen Geist in einen bloßen
               Con-<lb/>
trast auflösen. Das Lachen gehört zu den Affecten; wie<lb/>
diese,
               erschüttert es den Leib, Und durch diesen rückwärts<lb/>
wiederum den Geist; wie sie,
               ist es eine kurz dauernde Ge-<lb/>
müthslage, zu der man nach Launen sich bereit
               findet oder<lb/>
nicht. Außerdem ist das Lächerliche ein Beyspiel dessen,<lb/>
was
               stark gefühlt wird, ohne daß die Annehmlichkeit oder<lb/>
Unannehmlichkeit ein
               Charakter desselben wäre. Bekanntlich<lb/>
giebt es ein fröhliches und ein bitteres
               Lachen, und zwischen<lb/>
beyden eine gewisse Gleichgültigkeit gegen das Lächerliche,<lb/>
wie bey dem Komiker, dem es eine ernste Angelegenheit ist,<lb/>
Anderer Lachen
               zu erregen.</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#g">B. Von solchen Gefühlen, welche von der Ge-<lb/>
müthslage
                 abhängen.</hi> </p><lb/>
            <p>101. Bey der vorstehenden ersten Klasse kann man<lb/>
mit Recht sagen: das Gefühl
               ist der Ursprung und (wenig-<lb/>
stens zum Theil) der Erklärungsgrund der
               entsprechenden Be-<lb/>
gierde und Verabscheuung. Hingegen bey der jetzt folgen-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0087] Fühl sich in die Form des Urtheils bringen und wissen- schaftlich behandeln laßt; ein unendlicher Vorzug in prakti- scher Hinsicht. *) Anmerkung. Wenn in dem Schönen die Größe vorwiegt, so entsteht das Erhabene. Dies ist eine ächte Species des Schönen, weil die Größenverhältnisse selbst zu den Elementen des Schönen gehören. Aber vergebens sucht man die Definition für das Lächerliche. Dies hat seinen Ursprung in der Möglichkeit des Lachens, derglei- chen sich ohne einen menschlichen Leib und dessen organi- sche Lebens-Gefühle nicht denken läßt. Das reinste Komi- sche würde sich für einen reinen Geist in einen bloßen Con- trast auflösen. Das Lachen gehört zu den Affecten; wie diese, erschüttert es den Leib, Und durch diesen rückwärts wiederum den Geist; wie sie, ist es eine kurz dauernde Ge- müthslage, zu der man nach Launen sich bereit findet oder nicht. Außerdem ist das Lächerliche ein Beyspiel dessen, was stark gefühlt wird, ohne daß die Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit ein Charakter desselben wäre. Bekanntlich giebt es ein fröhliches und ein bitteres Lachen, und zwischen beyden eine gewisse Gleichgültigkeit gegen das Lächerliche, wie bey dem Komiker, dem es eine ernste Angelegenheit ist, Anderer Lachen zu erregen. B. Von solchen Gefühlen, welche von der Ge- müthslage abhängen. 101. Bey der vorstehenden ersten Klasse kann man mit Recht sagen: das Gefühl ist der Ursprung und (wenig- stens zum Theil) der Erklärungsgrund der entsprechenden Be- gierde und Verabscheuung. Hingegen bey der jetzt folgen- *) Zu vergleichen ist des Nfs. allgemeine praktische Philosophie, insbesondere die ganze Einleitung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-05T12:13:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup. (2013-07-05T12:13:38Z)
Stefanie Seim: Nachkorrekturen. (2013-07-05T12:13:38Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/87
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/87>, abgerufen am 21.11.2024.