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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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men, und absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde,
ein gleich schädlicher Wahn. Bewegliche und lenksame
Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind
die Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche
Kräfte sind im Vorhergehenden nachgewiesen worden.

243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach
die Philosophie der Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem
Staate zu fragen, und nach dessen Sicherstellung und Be-
gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in
Gesundheit des bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn
man das Toben der Neuerungssucht, den durch keine Er-
fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige
Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von
dem Bande der allgemeinen Ordnung und unvermeidlichen
Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden solcher ein-
reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht,
Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche
Vergleichung, da sie nicht genau durchgeführt werden kann,
zu hart und zu wenig belehrend erscheinen. Aber gewiß
finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei-
tiges Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge-
genbild in dem gesunden und wohlgeordneten Staate; wo
Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder dennoch
aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be-
dürfnisses, Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch
das Ganze den Antrieb aller Theile empfängt. Der letzte
Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber ist das
öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen-
heiten der kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer
nach Möglichkeit zu vergüten.

244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-

men, und absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde,
ein gleich schädlicher Wahn. Bewegliche und lenksame
Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form,
und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind
die Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche
Kräfte sind im Vorhergehenden nachgewiesen worden.

243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach
die Philosophie der Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem
Staate zu fragen, und nach dessen Sicherstellung und Be-
gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten
Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in
Gesundheit des bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn
man das Toben der Neuerungssucht, den durch keine Er-
fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige
Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von
dem Bande der allgemeinen Ordnung und unvermeidlichen
Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden solcher ein-
reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht,
Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche
Vergleichung, da sie nicht genau durchgeführt werden kann,
zu hart und zu wenig belehrend erscheinen. Aber gewiß
finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei-
tiges Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge-
genbild in dem gesunden und wohlgeordneten Staate; wo
Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder dennoch
aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be-
dürfnisses, Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch
das Ganze den Antrieb aller Theile empfängt. Der letzte
Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber ist das
öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen-
heiten der kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer
nach Möglichkeit zu vergüten.

244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-

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[197/0205] men, und absolute Freyheit, die nichts vesthalten würde, ein gleich schädlicher Wahn. Bewegliche und lenksame Kräfte, die jedoch unter Umständen eine bestimmte Form, und allmählig einen dauerhaften Charakter gewinnen, sind die Voraussetzungen der Pädagogik und der Politik. Solche Kräfte sind im Vorhergehenden nachgewiesen worden. 243. Einen nützlichen Ueberblick über das, wornach die Philosophie der Geschichte für jeden Zeitpunkt bey jedem Staate zu fragen, und nach dessen Sicherstellung und Be- gründung sie zu forschen hat, gewähren die schon bekannten Bedingungen der geistigen Gesundheit, welche sich hier in Gesundheit des bürgerlichen Lebens verwandelt. Zwar wenn man das Toben der Neuerungssucht, den durch keine Er- fahrung heilbaren Wahn der Partheyen, die eigensinnige Lossagung einzelner Stände, Communen, Provinzen von dem Bande der allgemeinen Ordnung und unvermeidlichen Wechselwirkung, das schlaffe und blinde Dulden solcher ein- reißenden Verkehrtheiten, parallelisiren wollte mit Tobsucht, Wahnsinn, Narrheit und Blödsinn: so möchte eine solche Vergleichung, da sie nicht genau durchgeführt werden kann, zu hart und zu wenig belehrend erscheinen. Aber gewiß finden Gleichmuth, Erregbarkeit, Sammlung und gegensei- tiges Bestimmen aller Vorstellungen durch einander, ihr Ge- genbild in dem gesunden und wohlgeordneten Staate; wo Jeder mit Ruhe seinem Geschäffte obliegt, Jeder dennoch aufmerkt und rege wird beym Rufe des allgemeinen Be- dürfnisses, Alle zusammen das Nöthige vollziehen, aber auch das Ganze den Antrieb aller Theile empfängt. Der letzte Punkt mag am schwierigsten erscheinen; gewiß aber ist das öffentliche Leben nicht gesund, wo es von den Angelegen- heiten der kleinern Kreise sich losreißt, anstatt ihre Opfer nach Möglichkeit zu vergüten. 244. Aehnlich diesen Grundzügen bilden sich die Men-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/205>, abgerufen am 22.11.2024.