nen, anerkannt werden. Vielmehr, was innerlich
empfun- den war, das wird, wo irgend möglich, auf das Aeußere übertragen.
Daher bildet sich mit dem Jch zugleich das Du; undfast gleichzeitig mit beyden
das Wir, welches der Jdealismus vergaß, und vergessen
mußte, wenn er nicht aus seinen Träumen geweckt seyn wollte. Denn die Vor- stellung des Wir ist ganz offenbar abhängig von den Um- ständen; sie erzeugt sich
bald in größern, bald in kleinern Kreisen; und zwar immer so, daß sie zugleich
das Jch in sich aufnimmt. Dieser Gegenstand liegt einer analytischen Betrachtung weit offener vor Augen, als das geheimnißvolle Jch. Wie Platon den
Staat als eine Schrift mit groißen Buchstaben, lesbar für schwache Augen, zuerst
betrachtete, um kleinere Schrift bequemer aufzufassen, so hätte man auch
früher das Wir als das Jch untersuchen sollen, um für das schwerere Problem eine
nützliche Vorbereitung zu gewinnen.
199. Woher aber die Vorstellung von einer Vor- stellung? und
von vorstellenden Dingen? Diese Frage muß man zuvörderst einfach genug
fassen. Wie es möglich sey, daß mit dem
räumlich-Ausgedehnten und dessen übrigen Merkmalen auch ein Vorstellen
verknüpft, ja mit ihm Ein Ding sey, das überlegt kaum einmal der gebildete
Mensch, vielweniger der rohe. Aber daß es Dinge giebt,
denen Vorstellungen inwohnen, weiß selbst das Thier. Es lernt es, indem es
sieht, daß diese Dinge sich nach an- dern, auch ohne Berührung, richten.
Der gemeine Verstand ist geneigt zu glauben, die Na- del wisse vom Magnet. Auf
dieselbe Weise ist Jeder über- zeugt, A enthalte in sich
die Beschaffenheit von B, wenn sich jenes genau
bestimmt zeigt durch dieses. Die Beschaf- fenheit von B,
ohne dessen Realität, ist das Bild von B, oder, mit einem andern Worte, die Vorstellung desselben.
nen, anerkannt werden. Vielmehr, was innerlich
empfun- den war, das wird, wo irgend möglich, auf das Aeußere übertragen.
Daher bildet sich mit dem Jch zugleich das Du; undfast gleichzeitig mit beyden
das Wir, welches der Jdealismus vergaß, und vergessen
mußte, wenn er nicht aus seinen Träumen geweckt seyn wollte. Denn die Vor- stellung des Wir ist ganz offenbar abhängig von den Um- ständen; sie erzeugt sich
bald in größern, bald in kleinern Kreisen; und zwar immer so, daß sie zugleich
das Jch in sich aufnimmt. Dieser Gegenstand liegt einer analytischen Betrachtung weit offener vor Augen, als das geheimnißvolle Jch. Wie Platon den
Staat als eine Schrift mit groißen Buchstaben, lesbar für schwache Augen, zuerst
betrachtete, um kleinere Schrift bequemer aufzufassen, so hätte man auch
früher das Wir als das Jch untersuchen sollen, um für das schwerere Problem eine
nützliche Vorbereitung zu gewinnen.
199. Woher aber die Vorstellung von einer Vor- stellung? und
von vorstellenden Dingen? Diese Frage muß man zuvörderst einfach genug
fassen. Wie es möglich sey, daß mit dem
räumlich-Ausgedehnten und dessen übrigen Merkmalen auch ein Vorstellen
verknüpft, ja mit ihm Ein Ding sey, das überlegt kaum einmal der gebildete
Mensch, vielweniger der rohe. Aber daß es Dinge giebt,
denen Vorstellungen inwohnen, weiß selbst das Thier. Es lernt es, indem es
sieht, daß diese Dinge sich nach an- dern, auch ohne Berührung, richten.
Der gemeine Verstand ist geneigt zu glauben, die Na- del wisse vom Magnet. Auf
dieselbe Weise ist Jeder über- zeugt, A enthalte in sich
die Beschaffenheit von B, wenn sich jenes genau
bestimmt zeigt durch dieses. Die Beschaf- fenheit von B,
ohne dessen Realität, ist das Bild von B, oder, mit einem andern Worte, die Vorstellung desselben.
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[158/0166]
nen, anerkannt werden. Vielmehr, was innerlich empfun-
den war, das wird, wo irgend möglich, auf das Aeußere
übertragen. Daher bildet sich mit dem Jch zugleich das
Du; undfast gleichzeitig mit beyden das Wir, welches
der Jdealismus vergaß, und vergessen mußte, wenn er nicht
aus seinen Träumen geweckt seyn wollte. Denn die Vor-
stellung des Wir ist ganz offenbar abhängig von den Um-
ständen; sie erzeugt sich bald in größern, bald in kleinern
Kreisen; und zwar immer so, daß sie zugleich das Jch in
sich aufnimmt. Dieser Gegenstand liegt einer analytischen
Betrachtung weit offener vor Augen, als das geheimnißvolle
Jch. Wie Platon den Staat als eine Schrift mit groißen
Buchstaben, lesbar für schwache Augen, zuerst betrachtete,
um kleinere Schrift bequemer aufzufassen, so hätte man
auch früher das Wir als das Jch untersuchen sollen, um
für das schwerere Problem eine nützliche Vorbereitung zu
gewinnen.
199. Woher aber die Vorstellung von einer Vor-
stellung? und von vorstellenden Dingen? Diese
Frage muß man zuvörderst einfach genug fassen. Wie es
möglich sey, daß mit dem räumlich-Ausgedehnten und
dessen übrigen Merkmalen auch ein Vorstellen verknüpft,
ja mit ihm Ein Ding sey, das überlegt kaum einmal der
gebildete Mensch, vielweniger der rohe. Aber daß es Dinge
giebt, denen Vorstellungen inwohnen, weiß selbst das Thier.
Es lernt es, indem es sieht, daß diese Dinge sich nach an-
dern, auch ohne Berührung, richten.
Der gemeine Verstand ist geneigt zu glauben, die Na-
del wisse vom Magnet. Auf dieselbe Weise ist Jeder über-
zeugt, A enthalte in sich die Beschaffenheit von B, wenn
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(2013-07-05T12:13:38Z)
Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/166>, abgerufen am 02.08.2024.
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