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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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nen müssen. Einige Bemerkungen werden jedoch nützlich
seyn, um die Zusammenfassung des Vorgetragenen zu erleich-
tern, bevor wir den menschlichen Geist in seinen wandelba-
ren Zustanden näher betrachten.

121. Nächst den äußern Sinnen, deren Unentbehr-
lichkeit beym ersten Blick einleuchtet (was wäre ein Mensch,
blind, taub, und ohne Hände geboren?), ist ohne Zweifel
die Reproduction, in ihren beyden Formen als Gedächtniß
und Einbildungskraft, der Hauptsitz des geistigen Lebens.
Der einzelne Augenblick giebt durch die Sinne sehr wenig;
und wir würden thierisch beschränkt seyn, bliebe uns nicht
die Vergangenheit, als ein Schatz, in den wir unaufhörlich
zurückgreifen. -- Jn den Stunden, wo der Zufluß unge-
suchter Gedanken schwächer ist oder gar stockt, spürt man
am besten die Armuth der Gefühle, die Rohheit der Be-
gierden, die Unthätigkeit oder vergebliche Bemühung des
Verstandes und der Vernunft ohne die Einbildungskraft.

Bis zu vesten Producten reift das Werk der Einbil-
dungskraft in Mythen und Sagenkreisen, welche als Gegen-
stände des Glaubens von der Kunst der Darstellung er-
griffen werden.

122. Hier ist der.Ort, der Uebungen und Fer-
tigkeiten
zu erwähnen. Dieser ist die Reproduction vor-
zugsweise fähig; und man kann sie nirgends sonst mit
Sicherheit nachweisen, was auch von Uebung des Verstan-
des, der Vernunft, von sittlicher Fertigkeit u. s. w. mag
gesagt werden. Denn die Thatsachen, welche man dafür
anführen mag, bezeugen gerade, daß früher gebildete Be-
griffe, Urtheile, Gefühle, Entschlüsse, eben so wohl als sinn-
liche Vorstellungen, reproducirt und hiemit in neue Wirk-
samkeit gesetzt werden; sie bezeugen, daß dies desto schneller,
sicherer und umfassender geschieht, je öfter und sorgfältiger

nen müssen. Einige Bemerkungen werden jedoch nützlich
seyn, um die Zusammenfassung des Vorgetragenen zu erleich-
tern, bevor wir den menschlichen Geist in seinen wandelba-
ren Zustanden näher betrachten.

121. Nächst den äußern Sinnen, deren Unentbehr-
lichkeit beym ersten Blick einleuchtet (was wäre ein Mensch,
blind, taub, und ohne Hände geboren?), ist ohne Zweifel
die Reproduction, in ihren beyden Formen als Gedächtniß
und Einbildungskraft, der Hauptsitz des geistigen Lebens.
Der einzelne Augenblick giebt durch die Sinne sehr wenig;
und wir würden thierisch beschränkt seyn, bliebe uns nicht
die Vergangenheit, als ein Schatz, in den wir unaufhörlich
zurückgreifen. — Jn den Stunden, wo der Zufluß unge-
suchter Gedanken schwächer ist oder gar stockt, spürt man
am besten die Armuth der Gefühle, die Rohheit der Be-
gierden, die Unthätigkeit oder vergebliche Bemühung des
Verstandes und der Vernunft ohne die Einbildungskraft.

Bis zu vesten Producten reift das Werk der Einbil-
dungskraft in Mythen und Sagenkreisen, welche als Gegen-
stände des Glaubens von der Kunst der Darstellung er-
griffen werden.

122. Hier ist der.Ort, der Uebungen und Fer-
tigkeiten
zu erwähnen. Dieser ist die Reproduction vor-
zugsweise fähig; und man kann sie nirgends sonst mit
Sicherheit nachweisen, was auch von Uebung des Verstan-
des, der Vernunft, von sittlicher Fertigkeit u. s. w. mag
gesagt werden. Denn die Thatsachen, welche man dafür
anführen mag, bezeugen gerade, daß früher gebildete Be-
griffe, Urtheile, Gefühle, Entschlüsse, eben so wohl als sinn-
liche Vorstellungen, reproducirt und hiemit in neue Wirk-
samkeit gesetzt werden; sie bezeugen, daß dies desto schneller,
sicherer und umfassender geschieht, je öfter und sorgfältiger

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[95/0103] nen müssen. Einige Bemerkungen werden jedoch nützlich seyn, um die Zusammenfassung des Vorgetragenen zu erleich- tern, bevor wir den menschlichen Geist in seinen wandelba- ren Zustanden näher betrachten. 121. Nächst den äußern Sinnen, deren Unentbehr- lichkeit beym ersten Blick einleuchtet (was wäre ein Mensch, blind, taub, und ohne Hände geboren?), ist ohne Zweifel die Reproduction, in ihren beyden Formen als Gedächtniß und Einbildungskraft, der Hauptsitz des geistigen Lebens. Der einzelne Augenblick giebt durch die Sinne sehr wenig; und wir würden thierisch beschränkt seyn, bliebe uns nicht die Vergangenheit, als ein Schatz, in den wir unaufhörlich zurückgreifen. — Jn den Stunden, wo der Zufluß unge- suchter Gedanken schwächer ist oder gar stockt, spürt man am besten die Armuth der Gefühle, die Rohheit der Be- gierden, die Unthätigkeit oder vergebliche Bemühung des Verstandes und der Vernunft ohne die Einbildungskraft. Bis zu vesten Producten reift das Werk der Einbil- dungskraft in Mythen und Sagenkreisen, welche als Gegen- stände des Glaubens von der Kunst der Darstellung er- griffen werden. 122. Hier ist der.Ort, der Uebungen und Fer- tigkeiten zu erwähnen. Dieser ist die Reproduction vor- zugsweise fähig; und man kann sie nirgends sonst mit Sicherheit nachweisen, was auch von Uebung des Verstan- des, der Vernunft, von sittlicher Fertigkeit u. s. w. mag gesagt werden. Denn die Thatsachen, welche man dafür anführen mag, bezeugen gerade, daß früher gebildete Be- griffe, Urtheile, Gefühle, Entschlüsse, eben so wohl als sinn- liche Vorstellungen, reproducirt und hiemit in neue Wirk- samkeit gesetzt werden; sie bezeugen, daß dies desto schneller, sicherer und umfassender geschieht, je öfter und sorgfältiger

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/103>, abgerufen am 22.11.2024.