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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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felhaft, dass Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn
das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk-
kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be-
standtheile. Allerdings muss dazwischen etwas in der
Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser
(oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese
aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol-
len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren.
Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre-
chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den
innern Zuständen des einen gehören innere Zustände
des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom-
men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber
ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö-
rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi-
schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich
ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal-
tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je-
doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu
haben brauchen
, ausser der einzigen, dass sie lediglich
innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden
Wesen, seyn müssen. -- Jetzt werfen wir einen Blick
auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäss, zwischen dem
Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht.
Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals
mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem
polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner-
ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder
weiss, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn
diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen.
Wir aber wissen wenigstens soviel, dass die Seele mit
einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die
allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner
dass der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar-
stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muss, die sich
in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich,
dass in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die

felhaft, daſs Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn
das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk-
kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be-
standtheile. Allerdings muſs dazwischen etwas in der
Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser
(oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese
aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol-
len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren.
Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre-
chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den
innern Zuständen des einen gehören innere Zustände
des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom-
men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber
ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö-
rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi-
schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich
ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal-
tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je-
doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu
haben brauchen
, auſser der einzigen, daſs sie lediglich
innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden
Wesen, seyn müssen. — Jetzt werfen wir einen Blick
auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäſs, zwischen dem
Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht.
Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals
mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem
polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner-
ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder
weiſs, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn
diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen.
Wir aber wissen wenigstens soviel, daſs die Seele mit
einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die
allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner
daſs der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar-
stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muſs, die sich
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[458/0493] felhaft, daſs Ursache und Bewirktes heterogen sind, denn das Wollen ist ein innerer Zustand der Seele, die Zuk- kung der Muskeln eine Raumbestimmung für deren Be- standtheile. Allerdings muſs dazwischen etwas in der Mitte stehn. Denn erstlich ist das Wollen ein gewisser (oben beschriebener) Zustand der Vorstellungen, diese aber sind Selbsterhaltungen der Seele, welche beym Wol- len in einen minder gehemmten Zustand zurückkehren. Ferner den Selbsterhaltungen in einem Wesen entspre- chen nur Selbsterhaltungen in einem andern; also den innern Zuständen des einen gehören innere Zustände des andern zu, wenn beyde Wesen, entweder vollkom- men oder unvollkommen, zusammen sind. Dieses aber ergiebt sich unmittelbar aus der Grundlehre von den Stö- rungen und Selbsterhaltungen, indem die Störung zwi- schen je zweyen Wesen allemal gegenseitig ist, und sich ihr nothwendig ein Paar zusammengehörige Selbsterhal- tungen entgegenstellen müssen, welche letzteren je- doch unter einander gar keine Aehnlichkeit zu haben brauchen, auſser der einzigen, daſs sie lediglich innere Zustände, jede in dem sich selbst erhaltenden Wesen, seyn müssen. — Jetzt werfen wir einen Blick auf dasjenige, was, der Erfahrung gemäſs, zwischen dem Wollen und dem Zucken der Muskeln in der Mitte steht. Dies sind bekanntlich die Nerven; welche man ehemals mit einem flüchtigen Safte, heutiges Tages mit einem polarisirenden Fluidum zu begaben pflegt, dem die Ner- ven zu Conductoren dienen sollen; obgleich man weder weiſs, was polarisirende Naturkräfte sind, noch wie denn diese durch das Wollen in Bewegung gerathen mögen. Wir aber wissen wenigstens soviel, daſs die Seele mit einem Ende der Nerven zusammen ist, als welches die allgemeine Bedingung aller Causalität ausmacht; ferner daſs der Nerv, der sich als ein cohärenter Faden dar- stellt, eine Kette einfacher Wesen seyn muſs, die sich in einem unvollkommnen Zusammen befinden; endlich, daſs in einer solchen Kette allemal zu erwarten ist, die

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/493>, abgerufen am 19.05.2024.