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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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und immer die gleiche Entschiedenheit des Beyfalls und
Misfallens mit sich führen.

Wer in diesem Hafen einmal angelangt ist, der
wird, bey einiger Theilnahme für andre Menschen, nicht
säumen, auch sie hieher zu verweisen. Aber nun liegt
ihm daran, den heilsamen Lehren, die er verbreitet, auch
Gewicht zu geben. Nun sinnt er auf diejenigen Zusätze,
wodurch er am schnellsten und kräftigsten die irrenden
Gemüther fassen, lenken, treiben könne. Alle Formen
des Lobes und Tadels, der Verheissungen und Drohun-
gen, besonders aber die religiösen und bürgerlichen Vor-
stellungsarten, werden dem Gegenstande, den man erhe-
ben und heiligen will, so gut als möglich angepasst. So
gewinnt das ursprüngliche sittliche Urtheil eine Verkör-
perung, die ihm die Menge leichter unterwirft, aber es
erscheint nun auch in einer Verunstaltung, worin selbst
die schärferen Denker es nicht mehr erkennen. --

§. 152.

Jede Maxime, in dem Augenblicke wo sie sich bil-
det, trägt die Bestimmung in sich, dass sie zur Apper-
ception dienen soll für die sämmtlichen Regungen des
Begehrens, welche ihr zuwider entstehn könnten, und für
die Umstände, welche zu ihrer Anwendung geeignet sind.
Diese Apperceptien ist nämlich die erste Bedingung, un-
ter welcher die Maxime zur Wirksamkeit gelangen kann;
sonst würde der vorkommende Fall unbemerkt vorüber-
gehn, und der Mensch würde sich hintennach einer Ue-
bereilung zeihen. Ob nicht diese Bedingung selbst noch
psychologische Bedingungen habe? das fragt sich nie das
Kind, selten der Mann, und der Anhänger der transscen-
dentalen Freyheit leugnet es, weil er in diesem Puncte
die Wahrheit nicht wissen will *).

Appercipirt nun wirklich die Maxime den zu ihrem
Gebiete gehörigen Fall, (gleichviel ob zur rechten Zeit,
wo darnach verfahren werden soll, oder später mit Reue,

*) Vergl. §. 22.

und immer die gleiche Entschiedenheit des Beyfalls und
Misfallens mit sich führen.

Wer in diesem Hafen einmal angelangt ist, der
wird, bey einiger Theilnahme für andre Menschen, nicht
säumen, auch sie hieher zu verweisen. Aber nun liegt
ihm daran, den heilsamen Lehren, die er verbreitet, auch
Gewicht zu geben. Nun sinnt er auf diejenigen Zusätze,
wodurch er am schnellsten und kräftigsten die irrenden
Gemüther fassen, lenken, treiben könne. Alle Formen
des Lobes und Tadels, der Verheiſsungen und Drohun-
gen, besonders aber die religiösen und bürgerlichen Vor-
stellungsarten, werden dem Gegenstande, den man erhe-
ben und heiligen will, so gut als möglich angepaſst. So
gewinnt das ursprüngliche sittliche Urtheil eine Verkör-
perung, die ihm die Menge leichter unterwirft, aber es
erscheint nun auch in einer Verunstaltung, worin selbst
die schärferen Denker es nicht mehr erkennen. —

§. 152.

Jede Maxime, in dem Augenblicke wo sie sich bil-
det, trägt die Bestimmung in sich, daſs sie zur Apper-
ception dienen soll für die sämmtlichen Regungen des
Begehrens, welche ihr zuwider entstehn könnten, und für
die Umstände, welche zu ihrer Anwendung geeignet sind.
Diese Apperceptien ist nämlich die erste Bedingung, un-
ter welcher die Maxime zur Wirksamkeit gelangen kann;
sonst würde der vorkommende Fall unbemerkt vorüber-
gehn, und der Mensch würde sich hintennach einer Ue-
bereilung zeihen. Ob nicht diese Bedingung selbst noch
psychologische Bedingungen habe? das fragt sich nie das
Kind, selten der Mann, und der Anhänger der transscen-
dentalen Freyheit leugnet es, weil er in diesem Puncte
die Wahrheit nicht wissen will *).

Appercipirt nun wirklich die Maxime den zu ihrem
Gebiete gehörigen Fall, (gleichviel ob zur rechten Zeit,
wo darnach verfahren werden soll, oder später mit Reue,

*) Vergl. §. 22.
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[423/0458] und immer die gleiche Entschiedenheit des Beyfalls und Misfallens mit sich führen. Wer in diesem Hafen einmal angelangt ist, der wird, bey einiger Theilnahme für andre Menschen, nicht säumen, auch sie hieher zu verweisen. Aber nun liegt ihm daran, den heilsamen Lehren, die er verbreitet, auch Gewicht zu geben. Nun sinnt er auf diejenigen Zusätze, wodurch er am schnellsten und kräftigsten die irrenden Gemüther fassen, lenken, treiben könne. Alle Formen des Lobes und Tadels, der Verheiſsungen und Drohun- gen, besonders aber die religiösen und bürgerlichen Vor- stellungsarten, werden dem Gegenstande, den man erhe- ben und heiligen will, so gut als möglich angepaſst. So gewinnt das ursprüngliche sittliche Urtheil eine Verkör- perung, die ihm die Menge leichter unterwirft, aber es erscheint nun auch in einer Verunstaltung, worin selbst die schärferen Denker es nicht mehr erkennen. — §. 152. Jede Maxime, in dem Augenblicke wo sie sich bil- det, trägt die Bestimmung in sich, daſs sie zur Apper- ception dienen soll für die sämmtlichen Regungen des Begehrens, welche ihr zuwider entstehn könnten, und für die Umstände, welche zu ihrer Anwendung geeignet sind. Diese Apperceptien ist nämlich die erste Bedingung, un- ter welcher die Maxime zur Wirksamkeit gelangen kann; sonst würde der vorkommende Fall unbemerkt vorüber- gehn, und der Mensch würde sich hintennach einer Ue- bereilung zeihen. Ob nicht diese Bedingung selbst noch psychologische Bedingungen habe? das fragt sich nie das Kind, selten der Mann, und der Anhänger der transscen- dentalen Freyheit leugnet es, weil er in diesem Puncte die Wahrheit nicht wissen will *). Appercipirt nun wirklich die Maxime den zu ihrem Gebiete gehörigen Fall, (gleichviel ob zur rechten Zeit, wo darnach verfahren werden soll, oder später mit Reue, *) Vergl. §. 22.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/458>, abgerufen am 22.11.2024.