Meiner jetzigen Absicht gemäss sollte ich am näch- sten mit einem andern Manne, dem bekannten Anti-Pro- testanten, Herrn von Haller, zusammentreffen; in des- sen Handbuche der allgemeinen Staatenkunde, des darauf gegründeten allgemeinen Staats- rechts, und der allgemeinen Staatsklugheit, von religiöser Schwärmerey eben so wenig als von eigentli- chem Staatsrechte, etwas zu finden ist; der aber dage- gen näher, als irgend ein andrer mir bekannter Schrift- steller, dabey war, den wirklichen Staat im Allge- meinen richtig darzustellen; ein grosses Verdienst, wenn er wenigstens dieses Ziel völlig erreicht hätte. Für ei- nen Schmeichler muss man ihn nicht halten; sein Patri- monial-Fürst soll kein Recht einer directen willkührlichen Beschatzung der Unterthanen haben, sondern in der Re- gel seine Ausgaben aus eigenem Vermögen bestreiten; die Beyhülfe der Unterthanen muss gesucht und bewil- ligt werden *). Die Conscription ist nach ihm ein Ge- schenk des philosophisch genannten Jahrhunderts, des erdichteten speculativen Staatssystems, das sich für Frey- heit-bringend verkündigte, und Sclaverey gebracht hat; er will dagegen, dass die Hülfsleistung von Seiten der Unterthanen im Kriege des Fürsten nur auf moralischer Pflicht, auf eigenem Interesse, und auf besondern Dienst- verträgen beruhen soll **). Sein Fürst ist eigentlich ein sehr reicher Herr, an den sich die Dürftigen freywillig angeschlossen haben, so dass sie nun zu seinem Hause gehören. "Jeder Mensch, den Glück und Um- "stände vollkommen frey machen, wird eo "ipso ein Fürst. Das aliis imperare ist, um sich nach "Art der Logiker auszudrücken, nur das genus proxi- "mum, das nemini parere der character specificus eines "Fürsten oder einer Republik. Es ist daher unrichtig, "und führt zu gefährlichen Verirrungen, beyde nur Re-
*) Handb. der Staatenk. §. 25. Auf dies Buch allein beziehn sich die nachfolgenden Bemerkungen.
**) A. a. O. §. 22.
Meiner jetzigen Absicht gemäſs sollte ich am näch- sten mit einem andern Manne, dem bekannten Anti-Pro- testanten, Herrn von Haller, zusammentreffen; in des- sen Handbuche der allgemeinen Staatenkunde, des darauf gegründeten allgemeinen Staats- rechts, und der allgemeinen Staatsklugheit, von religiöser Schwärmerey eben so wenig als von eigentli- chem Staatsrechte, etwas zu finden ist; der aber dage- gen näher, als irgend ein andrer mir bekannter Schrift- steller, dabey war, den wirklichen Staat im Allge- meinen richtig darzustellen; ein groſses Verdienst, wenn er wenigstens dieses Ziel völlig erreicht hätte. Für ei- nen Schmeichler muſs man ihn nicht halten; sein Patri- monial-Fürst soll kein Recht einer directen willkührlichen Beschatzung der Unterthanen haben, sondern in der Re- gel seine Ausgaben aus eigenem Vermögen bestreiten; die Beyhülfe der Unterthanen muſs gesucht und bewil- ligt werden *). Die Conscription ist nach ihm ein Ge- schenk des philosophisch genannten Jahrhunderts, des erdichteten speculativen Staatssystems, das sich für Frey- heit-bringend verkündigte, und Sclaverey gebracht hat; er will dagegen, daſs die Hülfsleistung von Seiten der Unterthanen im Kriege des Fürsten nur auf moralischer Pflicht, auf eigenem Interesse, und auf besondern Dienst- verträgen beruhen soll **). Sein Fürst ist eigentlich ein sehr reicher Herr, an den sich die Dürftigen freywillig angeschlossen haben, so daſs sie nun zu seinem Hause gehören. „Jeder Mensch, den Glück und Um- „stände vollkommen frey machen, wird eo „ipso ein Fürst. Das aliis imperare ist, um sich nach „Art der Logiker auszudrücken, nur das genus proxi- „mum, das nemini parere der character specificus eines „Fürsten oder einer Republik. Es ist daher unrichtig, „und führt zu gefährlichen Verirrungen, beyde nur Re-
*) Handb. der Staatenk. §. 25. Auf dies Buch allein beziehn sich die nachfolgenden Bemerkungen.
**) A. a. O. §. 22.
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Meiner jetzigen Absicht gemäſs sollte ich am näch-
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testanten, Herrn von Haller, zusammentreffen; in des-
sen Handbuche der allgemeinen Staatenkunde,
des darauf gegründeten allgemeinen Staats-
rechts, und der allgemeinen Staatsklugheit, von
religiöser Schwärmerey eben so wenig als von eigentli-
chem Staatsrechte, etwas zu finden ist; der aber dage-
gen näher, als irgend ein andrer mir bekannter Schrift-
steller, dabey war, den wirklichen Staat im Allge-
meinen richtig darzustellen; ein groſses Verdienst, wenn
er wenigstens dieses Ziel völlig erreicht hätte. Für ei-
nen Schmeichler muſs man ihn nicht halten; sein Patri-
monial-Fürst soll kein Recht einer directen willkührlichen
Beschatzung der Unterthanen haben, sondern in der Re-
gel seine Ausgaben aus eigenem Vermögen bestreiten;
die Beyhülfe der Unterthanen muſs gesucht und bewil-
ligt werden *). Die Conscription ist nach ihm ein Ge-
schenk des philosophisch genannten Jahrhunderts, des
erdichteten speculativen Staatssystems, das sich für Frey-
heit-bringend verkündigte, und Sclaverey gebracht hat;
er will dagegen, daſs die Hülfsleistung von Seiten der
Unterthanen im Kriege des Fürsten nur auf moralischer
Pflicht, auf eigenem Interesse, und auf besondern Dienst-
verträgen beruhen soll **). Sein Fürst ist eigentlich ein
sehr reicher Herr, an den sich die Dürftigen freywillig
angeschlossen haben, so daſs sie nun zu seinem Hause
gehören. „Jeder Mensch, den Glück und Um-
„stände vollkommen frey machen, wird eo
„ipso ein Fürst. Das aliis imperare ist, um sich nach
„Art der Logiker auszudrücken, nur das genus proxi-
„mum, das nemini parere der character specificus eines
„Fürsten oder einer Republik. Es ist daher unrichtig,
„und führt zu gefährlichen Verirrungen, beyde nur Re-
*) Handb. der Staatenk. §. 25. Auf dies Buch allein beziehn
sich die nachfolgenden Bemerkungen.
**) A. a. O. §. 22.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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