dazu beigetragen, in welche Kant sich gegen die Geo- metrie begab, so oft er der Materie gedachte, deren Wesen er nicht richtig erkannt hatte. Auch davon kön- nen wir hier nicht sprechen.
Jedermann kennt aus der Mathematik die unendli- chen Reihen, und deren Ursprung aus dem Begriff des allgemeinen Gliedes, unter welchen fallend jedes ein- zelne Glied die Aufforderung mit sich bringt, noch wei- ter fortzuschreiten. Ein solches allgemeines Glied braucht nicht durch einen arithmetischen Ausdruck gegeben zu seyn; die Allgemeinheit der Regel des Fortschritts, un- ter welche jedes Erreichte wieder als Anfangsglied fällt, ist hier das Wesentliche. Daher unendliche Räume, Zeiten, Zahlen, und gesteigerte Qualitäten aller Art.
Die erste psychologische Frage, auf die wir hier nöthig haben zu merken, ist diese: gelangen wir durch solches Fortschreiten nun wirklich jemals zu einer Vor- stellung des Unendlichen; so, als ob es uns wie eine gegebene Grösse vorschwebte? -- Sicherlich nicht! Wir bleiben irgendwo stehn; wissen aber, dass wir weiter, und wohin wir auch gelangen möchten, doch noch weiter fortschreiten könnten. Dieser allgemeine Begriff vertritt die Stelle der Vorstellung des Unendlichen.
Es ist hier ein ähnlicher Fall, wie bey der logischen Cultur der Begriffe. Durch negative Urtheile sprechen wir dem Gattungsbegriffe die specifischen Differenzen ab, welche zur Bestimmung des ihm Untergeordneten dienen, und eben deswegen in den Inhalt des Gattungsbegriffs nicht gehören. Wir sollten also wirklich die Gattung ganz frey denken von jenen Differenzen; aber eben in- dem wir dieses Sollen anerkennen, indem wir uns ent- schliessen das nicht hieher gehörige bey Seite zu setzen, denken wir in der That daran, und sind keinesweges ganz davon losgekommen. So wissen wir, dass der all- gemeine Begriff des Kreises keinen bestimmten Radius erträgt; aber das Bild des Kreises hat dennoch in jedem Augenblicke für uns seinen Radius. Und dies reicht für
dazu beigetragen, in welche Kant sich gegen die Geo- metrie begab, so oft er der Materie gedachte, deren Wesen er nicht richtig erkannt hatte. Auch davon kön- nen wir hier nicht sprechen.
Jedermann kennt aus der Mathematik die unendli- chen Reihen, und deren Ursprung aus dem Begriff des allgemeinen Gliedes, unter welchen fallend jedes ein- zelne Glied die Aufforderung mit sich bringt, noch wei- ter fortzuschreiten. Ein solches allgemeines Glied braucht nicht durch einen arithmetischen Ausdruck gegeben zu seyn; die Allgemeinheit der Regel des Fortschritts, un- ter welche jedes Erreichte wieder als Anfangsglied fällt, ist hier das Wesentliche. Daher unendliche Räume, Zeiten, Zahlen, und gesteigerte Qualitäten aller Art.
Die erste psychologische Frage, auf die wir hier nöthig haben zu merken, ist diese: gelangen wir durch solches Fortschreiten nun wirklich jemals zu einer Vor- stellung des Unendlichen; so, als ob es uns wie eine gegebene Gröſse vorschwebte? — Sicherlich nicht! Wir bleiben irgendwo stehn; wissen aber, daſs wir weiter, und wohin wir auch gelangen möchten, doch noch weiter fortschreiten könnten. Dieser allgemeine Begriff vertritt die Stelle der Vorstellung des Unendlichen.
Es ist hier ein ähnlicher Fall, wie bey der logischen Cultur der Begriffe. Durch negative Urtheile sprechen wir dem Gattungsbegriffe die specifischen Differenzen ab, welche zur Bestimmung des ihm Untergeordneten dienen, und eben deswegen in den Inhalt des Gattungsbegriffs nicht gehören. Wir sollten also wirklich die Gattung ganz frey denken von jenen Differenzen; aber eben in- dem wir dieses Sollen anerkennen, indem wir uns ent- schlieſsen das nicht hieher gehörige bey Seite zu setzen, denken wir in der That daran, und sind keinesweges ganz davon losgekommen. So wissen wir, daſs der all- gemeine Begriff des Kreises keinen bestimmten Radius erträgt; aber das Bild des Kreises hat dennoch in jedem Augenblicke für uns seinen Radius. Und dies reicht für
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dazu beigetragen, in welche Kant sich gegen die Geo-
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Wesen er nicht richtig erkannt hatte. Auch davon kön-
nen wir hier nicht sprechen.
Jedermann kennt aus der Mathematik die unendli-
chen Reihen, und deren Ursprung aus dem Begriff des
allgemeinen Gliedes, unter welchen fallend jedes ein-
zelne Glied die Aufforderung mit sich bringt, noch wei-
ter fortzuschreiten. Ein solches allgemeines Glied braucht
nicht durch einen arithmetischen Ausdruck gegeben zu
seyn; die Allgemeinheit der Regel des Fortschritts, un-
ter welche jedes Erreichte wieder als Anfangsglied fällt,
ist hier das Wesentliche. Daher unendliche Räume,
Zeiten, Zahlen, und gesteigerte Qualitäten aller Art.
Die erste psychologische Frage, auf die wir hier
nöthig haben zu merken, ist diese: gelangen wir durch
solches Fortschreiten nun wirklich jemals zu einer Vor-
stellung des Unendlichen; so, als ob es uns wie eine
gegebene Gröſse vorschwebte? — Sicherlich nicht! Wir
bleiben irgendwo stehn; wissen aber, daſs wir weiter, und
wohin wir auch gelangen möchten, doch noch weiter
fortschreiten könnten. Dieser allgemeine Begriff vertritt
die Stelle der Vorstellung des Unendlichen.
Es ist hier ein ähnlicher Fall, wie bey der logischen
Cultur der Begriffe. Durch negative Urtheile sprechen
wir dem Gattungsbegriffe die specifischen Differenzen ab,
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nicht gehören. Wir sollten also wirklich die Gattung
ganz frey denken von jenen Differenzen; aber eben in-
dem wir dieses Sollen anerkennen, indem wir uns ent-
schlieſsen das nicht hieher gehörige bey Seite zu setzen,
denken wir in der That daran, und sind keinesweges
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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