Ob hier nichts von der anderwärts erwähnten Elangue- scenz, durch unendliche Verdünnung, zu fürchten sey? Ob jener Weg der empirischen Synthesis nicht irgend einen Grad von materieller Vestigkeit haben müsse, da- mit die Wahrnehmungen darauf, wie auf gutem Pflaster, sicher reisen können? -- Und eben so ist zu fragen: welche Intensität der Wechselwirkung unter den Substanzen wohl die kleinste sey, mit der man sich be- gnügen könne, um das Zugleichseyn als objective Be- stimmung der Dinge wahrzunehmen? Oder ob wohl gar die Wahrnehmung des Zugleichseyns an Intensität wachse in demselben Grade, wie die Wechselwirkung selbst? Lauter Fragen, deren Veranlassung man nur bedauern kann. --
Gelegentlich erwähne ich hier noch des Irrthums im Begriff der Substanz, den Kant in den Prolegomenen §. 46. so ausspricht: "Die reine Vernunft fodert, dass wir zu jedem Prädicate eines Dinges sein ihm zugehöri- ges Subject, zu diesem aber, welches nothwendiger Weise wiederum nur Prädicat ist, fernerhin sein Subject, und so fort ins Unendliche, suchen sollen. Aber hieraus folgt, dass wir nichts, wozu wir gelangen können, für ein letztes Subject halten sollen," u. s. w.
Was an diesen Behauptungen Wahres ist, habe ich im §. 141. angegeben. Aber genau genommen, wie Kants Worte lauten, ist hier Nichts als Irrthum. So lange das Subject noch für ein sinnliches Ding gehalten wird, verdient es nicht den Namen Substanz, die ihrer Natur nach übersinnlich ist; und hat man den wahren Begriff derselben erreicht, so kann man nicht mehr daran denken, sie wiederum in die Reihe blosser Prädicate stel- len zu wollen. Der obige Regressus ins Unendliche ist nicht reine Vernunft, sondern falsche Metaphysik, die dem Problem, was im Begriff der Substanz liegt, ent- laufen will, weil sie es nicht zu behandeln versteht; -- oder mit andern Worten, die den Knoten, den sie fühlt, weiter und immer weiter schiebt, statt ihn ein für alle-
Ob hier nichts von der anderwärts erwähnten Elangue- scenz, durch unendliche Verdünnung, zu fürchten sey? Ob jener Weg der empirischen Synthesis nicht irgend einen Grad von materieller Vestigkeit haben müsse, da- mit die Wahrnehmungen darauf, wie auf gutem Pflaster, sicher reisen können? — Und eben so ist zu fragen: welche Intensität der Wechselwirkung unter den Substanzen wohl die kleinste sey, mit der man sich be- gnügen könne, um das Zugleichseyn als objective Be- stimmung der Dinge wahrzunehmen? Oder ob wohl gar die Wahrnehmung des Zugleichseyns an Intensität wachse in demselben Grade, wie die Wechselwirkung selbst? Lauter Fragen, deren Veranlassung man nur bedauern kann. —
Gelegentlich erwähne ich hier noch des Irrthums im Begriff der Substanz, den Kant in den Prolegomenen §. 46. so ausspricht: „Die reine Vernunft fodert, daſs wir zu jedem Prädicate eines Dinges sein ihm zugehöri- ges Subject, zu diesem aber, welches nothwendiger Weise wiederum nur Prädicat ist, fernerhin sein Subject, und so fort ins Unendliche, suchen sollen. Aber hieraus folgt, daſs wir nichts, wozu wir gelangen können, für ein letztes Subject halten sollen,“ u. s. w.
Was an diesen Behauptungen Wahres ist, habe ich im §. 141. angegeben. Aber genau genommen, wie Kants Worte lauten, ist hier Nichts als Irrthum. So lange das Subject noch für ein sinnliches Ding gehalten wird, verdient es nicht den Namen Substanz, die ihrer Natur nach übersinnlich ist; und hat man den wahren Begriff derselben erreicht, so kann man nicht mehr daran denken, sie wiederum in die Reihe bloſser Prädicate stel- len zu wollen. Der obige Regressus ins Unendliche ist nicht reine Vernunft, sondern falsche Metaphysik, die dem Problem, was im Begriff der Substanz liegt, ent- laufen will, weil sie es nicht zu behandeln versteht; — oder mit andern Worten, die den Knoten, den sie fühlt, weiter und immer weiter schiebt, statt ihn ein für alle-
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Ob hier nichts von der anderwärts erwähnten Elangue-
scenz, durch unendliche Verdünnung, zu fürchten sey?
Ob jener Weg der empirischen Synthesis nicht irgend
einen Grad von materieller Vestigkeit haben müsse, da-
mit die Wahrnehmungen darauf, wie auf gutem Pflaster,
sicher reisen können? — Und eben so ist zu fragen:
welche Intensität der Wechselwirkung unter den
Substanzen wohl die kleinste sey, mit der man sich be-
gnügen könne, um das Zugleichseyn als objective Be-
stimmung der Dinge wahrzunehmen? Oder ob wohl gar
die Wahrnehmung des Zugleichseyns an Intensität wachse
in demselben Grade, wie die Wechselwirkung selbst?
Lauter Fragen, deren Veranlassung man nur bedauern
kann. —
Gelegentlich erwähne ich hier noch des Irrthums im
Begriff der Substanz, den Kant in den Prolegomenen
§. 46. so ausspricht: „Die reine Vernunft fodert, daſs
wir zu jedem Prädicate eines Dinges sein ihm zugehöri-
ges Subject, zu diesem aber, welches nothwendiger
Weise wiederum nur Prädicat ist, fernerhin sein
Subject, und so fort ins Unendliche, suchen sollen. Aber
hieraus folgt, daſs wir nichts, wozu wir gelangen können,
für ein letztes Subject halten sollen,“ u. s. w.
Was an diesen Behauptungen Wahres ist, habe
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Kants Worte lauten, ist hier Nichts als Irrthum. So
lange das Subject noch für ein sinnliches Ding gehalten
wird, verdient es nicht den Namen Substanz, die ihrer
Natur nach übersinnlich ist; und hat man den wahren
Begriff derselben erreicht, so kann man nicht mehr daran
denken, sie wiederum in die Reihe bloſser Prädicate stel-
len zu wollen. Der obige Regressus ins Unendliche ist
nicht reine Vernunft, sondern falsche Metaphysik, die
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/382>, abgerufen am 27.11.2024.
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