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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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ihn dahin gebracht, sein Vaterland zu mei-
den
; und selbst französisches Bürgerrecht an-
zunehmen, wenn anders eine neuerlich gedruckte
Notiz ganz sicher ist. -- Möchten doch Dieje-
nigen, die es nicht fassen können, dass der
Mensch sich theoretisch widersprechende Vor-
stellungsarten bildet, indem er auf nothwendige
Beziehungen nicht achtet, -- sich vorläufig ein-
mal darin üben, die häufig vorkommenden Fälle
im praktischen Leben genau zu betrachten, wo
sich Einer mit offenen Augen Schicksale berei-
tet, denen zu entgehen, vermöge der ursprüng-
lichen Natur seiner Motive, durchaus seine grösste
Sorge hätte seyn müssen. Solche Fälle wird
man natürlich finden; aber nicht minder natür-
lich sind jene ersteren. Die Erfahrung hat Man-
ches längst gesagt, was die Theorie nur deutli-
cher ausspricht. Aber wie Viele sind wohl De-
ren, die mit vollem Rechte den Vorwurf ableh-
nen dürften, dass sie ihre Vorurtheile mehr lie-
ben, als Theorie und Erfahrung? Mag daher
auch immerhin dies Buch nur für Wenige les-
bar seyn; wer es darauf ankommen lässt, man
solle ihm seine Vorurtheile gewaltsam entreissen,
der mag sie behalten!


ihn dahin gebracht, sein Vaterland zu mei-
den
; und selbst französisches Bürgerrecht an-
zunehmen, wenn anders eine neuerlich gedruckte
Notiz ganz sicher ist. — Möchten doch Dieje-
nigen, die es nicht fassen können, daſs der
Mensch sich theoretisch widersprechende Vor-
stellungsarten bildet, indem er auf nothwendige
Beziehungen nicht achtet, — sich vorläufig ein-
mal darin üben, die häufig vorkommenden Fälle
im praktischen Leben genau zu betrachten, wo
sich Einer mit offenen Augen Schicksale berei-
tet, denen zu entgehen, vermöge der ursprüng-
lichen Natur seiner Motive, durchaus seine gröſste
Sorge hätte seyn müssen. Solche Fälle wird
man natürlich finden; aber nicht minder natür-
lich sind jene ersteren. Die Erfahrung hat Man-
ches längst gesagt, was die Theorie nur deutli-
cher ausspricht. Aber wie Viele sind wohl De-
ren, die mit vollem Rechte den Vorwurf ableh-
nen dürften, daſs sie ihre Vorurtheile mehr lie-
ben, als Theorie und Erfahrung? Mag daher
auch immerhin dies Buch nur für Wenige les-
bar seyn; wer es darauf ankommen läſst, man
solle ihm seine Vorurtheile gewaltsam entreiſsen,
der mag sie behalten!


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[XXVI/0033] ihn dahin gebracht, sein Vaterland zu mei- den; und selbst französisches Bürgerrecht an- zunehmen, wenn anders eine neuerlich gedruckte Notiz ganz sicher ist. — Möchten doch Dieje- nigen, die es nicht fassen können, daſs der Mensch sich theoretisch widersprechende Vor- stellungsarten bildet, indem er auf nothwendige Beziehungen nicht achtet, — sich vorläufig ein- mal darin üben, die häufig vorkommenden Fälle im praktischen Leben genau zu betrachten, wo sich Einer mit offenen Augen Schicksale berei- tet, denen zu entgehen, vermöge der ursprüng- lichen Natur seiner Motive, durchaus seine gröſste Sorge hätte seyn müssen. Solche Fälle wird man natürlich finden; aber nicht minder natür- lich sind jene ersteren. Die Erfahrung hat Man- ches längst gesagt, was die Theorie nur deutli- cher ausspricht. Aber wie Viele sind wohl De- ren, die mit vollem Rechte den Vorwurf ableh- nen dürften, daſs sie ihre Vorurtheile mehr lie- ben, als Theorie und Erfahrung? Mag daher auch immerhin dies Buch nur für Wenige les- bar seyn; wer es darauf ankommen läſst, man solle ihm seine Vorurtheile gewaltsam entreiſsen, der mag sie behalten!

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/33>, abgerufen am 28.03.2024.