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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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send im Selbsthewusstseyn erkannt, -- welcher Wechsel
von den Gegensätzen und Hemmungen, sammt den da[-]
durch bestimmten Bewegungen der Vorstellungen herrührt.

Eine dritte Täuschung endlich ist diejenige, welche
durchgängig in den älteren Fichtischen Schriften herrscht,
gegen die wir uns aber schon oben erklärt haben; als
ob alles, was im Ich sich finde, unmittelbar wegen der
Natur des Ich auch wieder ein Gewusstes werden müsse;
so dass man der höhern Reflexionen, durch welche die
niederen selbst Gegenstände des Vorstellens werden, im
Ich so viele postuliren dürfe, als man nur immer brauche
zur Erklärung der Phänomene. Nach dieser Ansicht
dreht sich das Ich ohne Ende im Wirbel, indem es un-
aufhörlich sein eignes Subject zum Objecte macht für ei-
nen höhern subjectiven Act des Vorstellens, der alsbald
abermals das Vorgestellte werden muss für ein neues
Vorstellen -- wunderbar genug dergestalt, dass über dem
Ablaufen dieser unendlichen Reihe keine Zeit verfliesse,
denn sonst würde das Ich niemals fertig, sondern bliebe
immer im Entstehen begriffen. An diesen Irrthum hängt
sich die transscendentale Freyheit, die in der That gar
keinen bessern Boden für sich finden kann. Der Irrthum
selbst wird begünstigt durch das Selbstbewusstseyn bey
denen Personen, deren innere Wahrnehmung einen ho-
hen Grad von Ausbildung erlangt hat. Denn hiedurch
wird es möglich, jede Vorstellungsreihe, die sich eben
erhob, sinken zu lassen und sie zugleich durch eine andre
zu appercipiren. Ich finde mich denkend an mich selbst,
aber durch den Vorsatz Mich zu beobachten, entdecke
ich jenes Finden, und wiederum Mich als findend das
Finden, und abermals Mich als vorstellend das Finden
jenes Findens u. s. f. So kann man ein künstliches
Spiel mit sich selbst eine Zeitlang fort treiben, nur
dass nichts dem ähnliches der Natur unserer Seele, die
überall nicht ursprünglich ein Ich, ja nicht einmal ur-
sprünglich ein vorstellendes Wesen ist, als eine eigen-
thümliche Qualität zugeschrieben werde. Irgend eine ap-

send im Selbsthewuſstseyn erkannt, — welcher Wechsel
von den Gegensätzen und Hemmungen, sammt den da[-]
durch bestimmten Bewegungen der Vorstellungen herrührt.

Eine dritte Täuschung endlich ist diejenige, welche
durchgängig in den älteren Fichtischen Schriften herrscht,
gegen die wir uns aber schon oben erklärt haben; als
ob alles, was im Ich sich finde, unmittelbar wegen der
Natur des Ich auch wieder ein Gewuſstes werden müsse;
so daſs man der höhern Reflexionen, durch welche die
niederen selbst Gegenstände des Vorstellens werden, im
Ich so viele postuliren dürfe, als man nur immer brauche
zur Erklärung der Phänomene. Nach dieser Ansicht
dreht sich das Ich ohne Ende im Wirbel, indem es un-
aufhörlich sein eignes Subject zum Objecte macht für ei-
nen höhern subjectiven Act des Vorstellens, der alsbald
abermals das Vorgestellte werden muſs für ein neues
Vorstellen — wunderbar genug dergestalt, daſs über dem
Ablaufen dieser unendlichen Reihe keine Zeit verflieſse,
denn sonst würde das Ich niemals fertig, sondern bliebe
immer im Entstehen begriffen. An diesen Irrthum hängt
sich die transscendentale Freyheit, die in der That gar
keinen bessern Boden für sich finden kann. Der Irrthum
selbst wird begünstigt durch das Selbstbewuſstseyn bey
denen Personen, deren innere Wahrnehmung einen ho-
hen Grad von Ausbildung erlangt hat. Denn hiedurch
wird es möglich, jede Vorstellungsreihe, die sich eben
erhob, sinken zu lassen und sie zugleich durch eine andre
zu appercipiren. Ich finde mich denkend an mich selbst,
aber durch den Vorsatz Mich zu beobachten, entdecke
ich jenes Finden, und wiederum Mich als findend das
Finden, und abermals Mich als vorstellend das Finden
jenes Findens u. s. f. So kann man ein künstliches
Spiel mit sich selbst eine Zeitlang fort treiben, nur
daſs nichts dem ähnliches der Natur unserer Seele, die
überall nicht ursprünglich ein Ich, ja nicht einmal ur-
sprünglich ein vorstellendes Wesen ist, als eine eigen-
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[293/0328] send im Selbsthewuſstseyn erkannt, — welcher Wechsel von den Gegensätzen und Hemmungen, sammt den da- durch bestimmten Bewegungen der Vorstellungen herrührt. Eine dritte Täuschung endlich ist diejenige, welche durchgängig in den älteren Fichtischen Schriften herrscht, gegen die wir uns aber schon oben erklärt haben; als ob alles, was im Ich sich finde, unmittelbar wegen der Natur des Ich auch wieder ein Gewuſstes werden müsse; so daſs man der höhern Reflexionen, durch welche die niederen selbst Gegenstände des Vorstellens werden, im Ich so viele postuliren dürfe, als man nur immer brauche zur Erklärung der Phänomene. Nach dieser Ansicht dreht sich das Ich ohne Ende im Wirbel, indem es un- aufhörlich sein eignes Subject zum Objecte macht für ei- nen höhern subjectiven Act des Vorstellens, der alsbald abermals das Vorgestellte werden muſs für ein neues Vorstellen — wunderbar genug dergestalt, daſs über dem Ablaufen dieser unendlichen Reihe keine Zeit verflieſse, denn sonst würde das Ich niemals fertig, sondern bliebe immer im Entstehen begriffen. An diesen Irrthum hängt sich die transscendentale Freyheit, die in der That gar keinen bessern Boden für sich finden kann. Der Irrthum selbst wird begünstigt durch das Selbstbewuſstseyn bey denen Personen, deren innere Wahrnehmung einen ho- hen Grad von Ausbildung erlangt hat. Denn hiedurch wird es möglich, jede Vorstellungsreihe, die sich eben erhob, sinken zu lassen und sie zugleich durch eine andre zu appercipiren. Ich finde mich denkend an mich selbst, aber durch den Vorsatz Mich zu beobachten, entdecke ich jenes Finden, und wiederum Mich als findend das Finden, und abermals Mich als vorstellend das Finden jenes Findens u. s. f. So kann man ein künstliches Spiel mit sich selbst eine Zeitlang fort treiben, nur daſs nichts dem ähnliches der Natur unserer Seele, die überall nicht ursprünglich ein Ich, ja nicht einmal ur- sprünglich ein vorstellendes Wesen ist, als eine eigen- thümliche Qualität zugeschrieben werde. Irgend eine ap-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/328>, abgerufen am 25.11.2024.