Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.wird,) nur einen Schritt weiter käme. Hätte wird,) nur einen Schritt weiter käme. Hätte <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="XVIII"/> wird,) nur einen Schritt weiter käme. Hätte<lb/> der ächte Tiefsinn der Eleaten sich mit dem<lb/> richtigen Geschmack des <hi rendition="#g">Platon</hi> und der logi-<lb/> schen Uebung und Gelehrsamkeit des <hi rendition="#g">Aristo-<lb/> teles</hi> vereinigt: so würden die Griechen die<lb/> wahre Philosophie gefunden haben. Statt des-<lb/> sen ging nach <hi rendition="#g">Aristoteles</hi> die Wissenschaft<lb/> stets rückwärts. Die Stoiker predigten und die<lb/> Epikuräer conversirten nur, um die Skepsis zu<lb/> ernähren; <hi rendition="#g">Arkesilaus</hi> und <hi rendition="#g">Carneades</hi> waren<lb/> die eigentlichen Häupter ihrer Zeit; ihr Saamen<lb/> wuchs auf, wie <hi rendition="#g">Cicero</hi> und <hi rendition="#g">Sextus Empiri-<lb/> cus</hi> es bezeugen; die frühern richtigen Anfänge<lb/> waren unwiederbringlich verloren. Die Skepsis<lb/> fand endlich ihr Grab in der Schwärmerey. So<lb/> verwandelt sich der bis zur Demokratie verdor-<lb/> bene Staat endlich in die Tyranney; wie <hi rendition="#g">Pla-<lb/> ton</hi> längst gelehrt hat. In diesem Spiegel mag<lb/> auch die heutige Zeit sich beschauen. Das Ende<lb/> des vorigen Jahrhunderts erzeugte eine hohe<lb/> Fluth, welche das Schiff hätte über die Klippen<lb/> tragen können; aber ungeschickte Lootsen trie-<lb/> ben es aus dem Fahrwasser. Der rechte Augen-<lb/> blick ist verloren gegangen. Gleichwohl besitzt<lb/> dieses Zeitalter unermeſsliche Hülfsmittel, wie<lb/> kein früheres; und der rechte Augenblick würde<lb/> sogleich wieder da seyn, wenn man sich ernst-<lb/> lich anstrengen wollte! Aber die <hi rendition="#g">Faulheit</hi>,<lb/> nach <hi rendition="#g">Fichten</hi> das Grundlaster des Menschen,<lb/> läſst es dahin nicht kommen. Deutschland ist<lb/> nur für positive Gelehrsamkeit regelmäſsig flei-<lb/> ſsig; für eigentliche Kunst oder Wissenschaft<lb/> hat es Anwandlungen, welche kommen und wie-<lb/> der gehn.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [XVIII/0025]
wird,) nur einen Schritt weiter käme. Hätte
der ächte Tiefsinn der Eleaten sich mit dem
richtigen Geschmack des Platon und der logi-
schen Uebung und Gelehrsamkeit des Aristo-
teles vereinigt: so würden die Griechen die
wahre Philosophie gefunden haben. Statt des-
sen ging nach Aristoteles die Wissenschaft
stets rückwärts. Die Stoiker predigten und die
Epikuräer conversirten nur, um die Skepsis zu
ernähren; Arkesilaus und Carneades waren
die eigentlichen Häupter ihrer Zeit; ihr Saamen
wuchs auf, wie Cicero und Sextus Empiri-
cus es bezeugen; die frühern richtigen Anfänge
waren unwiederbringlich verloren. Die Skepsis
fand endlich ihr Grab in der Schwärmerey. So
verwandelt sich der bis zur Demokratie verdor-
bene Staat endlich in die Tyranney; wie Pla-
ton längst gelehrt hat. In diesem Spiegel mag
auch die heutige Zeit sich beschauen. Das Ende
des vorigen Jahrhunderts erzeugte eine hohe
Fluth, welche das Schiff hätte über die Klippen
tragen können; aber ungeschickte Lootsen trie-
ben es aus dem Fahrwasser. Der rechte Augen-
blick ist verloren gegangen. Gleichwohl besitzt
dieses Zeitalter unermeſsliche Hülfsmittel, wie
kein früheres; und der rechte Augenblick würde
sogleich wieder da seyn, wenn man sich ernst-
lich anstrengen wollte! Aber die Faulheit,
nach Fichten das Grundlaster des Menschen,
läſst es dahin nicht kommen. Deutschland ist
nur für positive Gelehrsamkeit regelmäſsig flei-
ſsig; für eigentliche Kunst oder Wissenschaft
hat es Anwandlungen, welche kommen und wie-
der gehn.
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Zitationshilfe: | Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/25>, abgerufen am 16.07.2024. |